Majestätsbeleidigung
Den Paragrafen 1300 haben wir schon längst drangeben müssen. Jenen „Kranzgeld“-Paragrafen aus der Kaiserzeit, der unbescholtenen Frauen Schadensersatz zusprach. Schadensersatz dann, wenn ein Verlobter sein Ehe-Versprechen gegenüber seiner Verlobten aufkündigte, aber Pflicht und Freud’ der Ehe längst gemeinschaftlich ausprobiert waren.
Nun steht auch Paragraf 103 vor dem Fall, der sogenannte „SchahParagraf“, der mit besonderen Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren ahndet, wenn ein (ausländisches) Staatsoberhaupt beleidigt wird – sprich: Majestätsbeleidigung. War im Mittelalter schon ein Thema und später auch wieder unter dem letzten deutschen Kaiser.
Am Freitag beschäftigte sich in erster Lesung der Bundestag damit. Neigungen, die Majestätsbeleidigung weiterhin strafrechtlich zu pflegen, halten sich in engen Grenzen. Gibt es einfach keine Majestäten mehr? Sind wirklich alle so gleich vor der Beleidigung – wie vor dem Tod? Der arme Erdogan.
Dabei ist es quasi er selbst, der der Majestätsbeleidigung (und damit der Majestät) das mutmaßliche Ende bereitet. Sie erinnern sich? Fall Böhmermann, Fall Schmähgedicht. So unsäglich manche Zeile in diesem Schmähgedicht bleibt, so ungeschickt war es von Erdogan, den Hebel des Straftatbestands Majestätsbeleidigung anzusetzen.
Da kann man mal sehen, dass Literatur durchaus Einfluss haben kann auf die Gesetzgebung. Änderte Astrid Lindgren einst durch ihr Märchen von der Hexe Pomperipossa die schwedische Steuergesetzgebung, so kippt nun die deutsche Majestätsbeleidigung durch ein Gedicht von Jan Böhmermann.
Kranzgeld-Paragraf perdu, Schah-Paragraf demnächst perdu – was bleibt uns eigentlich noch aus der Kaiserzeit? Tja, es bleibt uns noch der Schaumweinsteuerparagraf, auch Sektsteuer genannt. 1902 eingeführt zur Finanzierung der kaiserlichen Kriegsflotte.