Leben unter dem Meeresgrund
Neue Funde zeigen, dass die bewohnbare Zone wohl 10000 Meter tief in die Erde reicht
Leben ist auf der Erde möglicherweise viel weiter verbreitet als bisher bekannt. Eine Studie an Schlammvulkanen am Grund des Pazifiks kommt zu dem Schluss, dass Mikroorganismen noch 10 000 Meter unterhalb des Meeresbodens gedeihen können. Noch in dieser Tiefe werde die Temperatur von 122 Grad Celsius, die bisher als Grenze für Leben gilt, nicht überschritten. Das berechnet das internationale Team um Oliver Plümper von der Universität Utrecht in den Proceedings der Nationalen Akademie der Wissenschaften der USA (PNAS).
Die Forscher untersuchten Bohrkerne aus der Izu-Bonin-Marianen Subduktionszone im Westpazifik, wo sich die Pazifische Erdplatte unter die Philippinische Platte schiebt und wo Wasser bis in den Erdmantel gelangt. Das Gebiet erstreckt sich von Japan aus 2800 Kilometer bis südlich der Marianen-Insel Guam, es enthält die mit etwa 11000 Metern tiefsten Meeresstellen weltweit.
Ein Phänomen in dem Areal sind gewaltige Schlammvulkane, die hauptsächlich aus Serpentin bestehen. Das weiche Gestein bildet sich im Erdmantel beim Kontakt des Minerals Olivin mit Wasser – Forscher sprechen von Serpentinisierung. In der Tiefe wird Serpentin dann zerrieben, vermischt sich mit Wasser und steigt als zäher Schlamm wegen seiner geringen Dichte zum Meeresgrund auf. Der Schlamm enthält auch winzige bis metergroße Gesteinsbrocken, sogenannte Klasten, die Spuren von Vorgängen in der Tiefe archivieren.
Von einem solchen Schlammvulkan, dem vom Meeresgrund 2000 Meter aufragenden South Chamorro, analysierten die Forscher Bohrkerne. Sie reichten vom hier etwa 3000 Meter tiefen Meeresboden bis in eine Tiefe von 110 Metern. In den Kernen fanden sie in verschiedenen Tiefen organische Stoffe. Deren Herkunft sei zwar unklar, schreibt das Team, die Analysen zeigten jedoch auffällige Parallelen zu bakteriellen Stoffen wie Proteinen, Lipiden und Nukleinsäuren. Dies deute auf einen organischen Ursprung hin.
Im nächsten Schritt berechneten die Forscher, bis in welche Tiefe unter dem hier etwa 3000 Meter tiefen Meer die Grenze von 122 Grad Celsius verläuft – diese Hitze gilt als Grenze für Leben. Dabei berücksichtigten sie neben Tiefe, Druck und Temperatur am Meeresgrund auch Leitfähigkeit und Dichte des Gesteins. Demnach liegt die maximale Tiefe für 122 Grad im Marianen-Vorbogen etwa zehn Kilometer unter dem Meeresgrund. Daher könnte das Leben von Mikroben in Vorbögen von Subduktionszonen bis in diese Tiefe und dem damit verbundenen Druck unterstützt werden. Das wäre eine Größenordnung mehr als frühere Berechnungen anhand des Atlantis-Massiv am Mittelatlantischen Rücken. Dort, wo völlig andere Rahmenbedingungen herrschen, hatte ein Forscherteam den Grenzwert schon in einer Tiefe von 1000 Metern gemessen.
Die Forscher: „Bislang wurden Belege für Mikrobengemeinschaften in den Schlammvulkanen des Marianen-Gebiets nur indirekt in Flüssigkeitsproben gefunden, die nicht tiefer als 20 Meter unter den Meeresboden reichten. Das Mikrobenleben in der tiefen Zone unter dem Meeresboden wie etwa im MarianenVorbogen, ohne Verbindung zur Oberfläche der Erde, hat möglicherweise wenig Ähnlichkeit mit den bekannten Ökosystemen, die durch Sepentinisierung entstanden sind.“
Für Kai-Uwe Hinrichs von der Uni Bremen bestätigt das die Annahme, dass die Zone unterhalb des Meeresbodens flächendeckend von Organismen bewohnt wird. Zwar hätten die Autoren den Ursprung der organischen Stoffe nicht geklärt, doch wiesen viele Studien auf Leben in der tiefen Biosphäre hin, so der Experte für organische Geochemie. Mit 10 000 Metern unterhalb des Meeresgrunds reiche die bewohnbare Zone hier jedoch extrem weit in die Tiefe.
Die Hitze von 122 Grad gilt als Grenze des Lebens