Mindelheimer Zeitung

Wenn der Gockel zur Unzeit kräht

Nachbarsch­aftsstreit In Markt Wald fühlte sich eine Zugezogene durch einen Hahn belästigt. Warum der Halter nach monatelang­em Zwist nachgab

- VON JOHANN STOLL johann.stoll@mindelheim­er zeitung.de

Peter V. in Ordnung. „Ich hatte noch nie Streit mit einem meiner Nachbarn“, versichert er. In dem Schreiben waren eine ganze Reihe von tatsächlic­hen oder empfundene­n Ruhestörun­gen aufgeliste­t. Mal war abends nach 19 Uhr noch gewerkelt worden, mal war der Rasenmäher zu laut, während sich die Nachbarin auf der Liege erholte. Und immer war es der Gockel, der nicht einsehen wollte, dass er vernünftig­erweise ein Schweigege­lübde abgelegt hätte. Nur die Kirchenglo­cken, die störten nie.

Peter V. sagt fairerweis­e, zu der Zeit, als die neuen Nachbarn eingezogen waren, hatte er vorübergeh­end keinen Hahn, nur Hühner. Den Gockel hatte er von der Verwandtsc­haft übernommen, weil sich dort zwei Hähne im Hühnerstal­l Revierkämp­fe lieferten. Also brauchte ein prächtiger Junghahn ein neues Zuhause. Er fand es bei Familie V. in Markt Wald. Der Hahn bekam sozusagen Asyl.

Es war der Beginn eines Dauerkonfl­iktes. Der Streit mit der Nachbarin ließ sich über Monate nicht beilegen. Die Nachbarin schaltete einen Rechtsanwa­lt ein und am Ende kam es zu einem Schlichtun­gsgespräch in einer Kanzlei in Bad Wörishofen. Peter V. gab nach, weil er nicht auch noch ein Gerichtsve­rfahren durchfecht­en wollte. Noch nie in seinem Leben hatte er mit der Justiz zu tun.

Der Streitfall Gockel hat sein Ende gefunden, das Verhältnis zwischen den Nachbarn aber weiter belastet. Peter V. bemüht sich um Rücksicht, wo es geht. Aber hin und wieder muss eben die Hobelmasch­ine in Betrieb genommen werden oder läuft die Kreissäge und der Kompressor. Eine Friedhofsr­uhe wird es auch in Markt Wald nicht geben können.

Parkplätze sind rar, wir verstehen. Und zwei Schritte zuviel laufen ist für einen überzeugte­n Autofahrer unzumutbar. Natürlich. Und deshalb verwandeln sich an sich nette und hilfsberei­te Mitmensche­n immer wieder in Verkehrsro­wdies. In der Mindelheim­er Maximilian­straße lässt sich das wunderbar studieren. Auf der Südseite der Straße, wo kein Auto zu stehen hat, wird munter geparkt. Ist ja nur für ein paar Minuten. Man will ja nur kurz was holen, heißt es nachher rechtferti­gend. All den Sündern mag man immerhin noch zugute halten, dass sie meistens niemanden ernsthaft behindern.

Aber es gibt die noch Dreisteren. Sie stellen ihren Wagen ohne mit der Wimper zu zucken auf einen Behinderte­nparkplatz. Im schönen Türkheim durfte ich das diese Woche „bewundern“. Unter den Dauereilig­en war übrigens auch ein kommunalpo­litisch höchst engagierte­r Mitbürger, dessen Namen wir jetzt für uns behalten. Der gute Mann hatte offenbar Lebenswich­tiges im Rathaus zu tun. Da kann man doch nicht auf Menschen mit Behinderun­g Rücksicht nehmen. Schon klar.

 ?? Foto: Jan Schuler/fotolia ?? Was ein echter Gockel ist, überzeugt nicht nur durch Äußerlichk­eiten. Ein prächtiger Hahn in Markt Wald machte auch mit seiner durchdring­enden Stimme auf sich aufmerksam und wurde so zum Streitobje­kt.
Foto: Jan Schuler/fotolia Was ein echter Gockel ist, überzeugt nicht nur durch Äußerlichk­eiten. Ein prächtiger Hahn in Markt Wald machte auch mit seiner durchdring­enden Stimme auf sich aufmerksam und wurde so zum Streitobje­kt.

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