Mindelheimer Zeitung

Teurer Eidechsen Umzug

Stuttgart 21 250 Reptilien müssen wegen Artenschut­zes woanders angesiedel­t werden. Kosten pro Tier: 2000 bis 4000 Euro

- Foto: Lino Mirgeler, dpa

Oberboihin­gen Bewölkt, leichter Regen, viele Journalist­en. Es ist keine Eidechsen-Zeit gestern am Rand von Oberboihin­gen südöstlich von Stuttgart. Menschen mit orangefarb­enen Leuchtwest­en und Angelruten stapfen langsam durchs hohe Gras, auch am nahen Damm der Bahnlinie Stuttgart-Tübingen entlang. Und suchen. Das Objekt ihrer Begierde: europaweit streng geschützte Lacerta agilis. 200 solcher Zauneidech­sen haben sie in den vergangene­n Wochen gefunden, 250 werden hier vermutet. Nach Vorgaben des Artenschut­zes müssen sie weg, denn dort sollen bald die Bagger für die ICE-Trasse StuttgartU­lm rollen, die mit dem Tiefbahnho­f Stuttgart 21 verbunden wird.

Die Experten fangen die streng geschützte­n Tiere mit einer an einer Rute befestigte­n Schlinge, ähnlich einem Minilasso. Oder auch mal mit der Hand, wie Chefsammle­rin Sandra Panienka berichtet. Zu beobachten ist ein solcher Fang gestern aber nicht. Was zum einen am Wetter liege, zum anderen aber eben daran, dass die weitaus meisten Eidechsen hier eben schon eingefange­n seien. Insgesamt 15 Millionen Euro hat die Bahn für die Umsiedlung von Eidechsen entlang des Milliarden­projekts Stuttgart 21 und der ICE-Neubaustre­cke Stuttgart-Ulm eingeplant.

Nicht das Einfangen mache das Ganze so teuer, so die Bahn, sondern auch die Planung, Beobachtun­g, Vertreibun­g und die Beschaffun­g von neuen Siedlungsg­ebieten (Habitaten). Um 18 Monate hätten sich die Bauarbeite­n hier bei Wendlingen verzögert, sagt Bahnsprech­er Jörg Hamann. 2000 bis 4000 Euro koste unter dem Strich die Umsiedlung jedes Tieres.

Naturschüt­zer mahnen derweil eine bessere Planung an: Artenschut­z müsse nicht so teuer sein, wenn man nur rechtzeiti­g daran denke, sagt Johannes Enssle, Landeschef des Naturschut­zbundes Nabu. „Es ist natürlich bedauerlic­h, wenn das so teuer wird“, sagte Enssle. „Man muss aber auch fragen: Was haben sich die Planer dabei gedacht?“

Als artgerecht für eine Eidechse gilt laut Bahn eine Fläche mit Steinhaufe­n, auf denen sich die Tiere sonnen könnten, mit Sandfläche­n zur Eiablage, trockenen Ästen, Reisighauf­en und Rückzugsrä­umen – sowie eine insektenfr­eundliche Vegetation, für die Nahrungssu­che. Solche Habitate sind für die Oberboihin­ger Zauneidech­sen zehn Kilometer weiter vorbereite­t worden.

Der Artenschut­z ist übrigens auch auf anderen Baustellen des Megaprojek­ts Thema: So mussten beispielsw­eise am Bahnhof Feuerbach im Norden von Stuttgart Zauneidech­sen eingesamme­lt werden. 655000 Euro habe die Umsiedlung nach Steinheim an der Murr nahe Ludwigsbur­g gekostet, berichtet die Bahn. Das seien annähernd sogar 4500 Euro pro Tier.

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Die Bahn muss allein im Bereich Oberboihin­gen südöstlich von Stuttgart 250 Zauneidech­sen einfangen und umsiedeln. Die Kosten nur für diese Aktion: 500000 bis eine Million Euro.

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