Mindelheimer Zeitung

Hebammen wollen weiter allen Müttern helfen

Gesundheit Die Krankenkas­sen planen Einschnitt­e beim Einsatz von Beleg-Hebammen. Geburtshel­ferinnen setzen auf die Bevölkerun­g

- VON SABINE ADELWARTH

Mindelheim Eine schwangere Frau hat in der 38. Schwangers­chaftswoch­e einen unerwartet­en Blasenspru­ng und sucht die Geburtssta­tion der Kreisklini­k Mindelheim auf. Die beschäftig­te Hebamme betreut bereits eine Frau mit Wehen. „Es tut mir leid, ich kann keine weitere Patientin mitbetreue­n“, ist die Aussage der Geburtshel­ferin und die Hochschwan­gere muss in ihrer prekären Lage in eine andere Geburtskli­nik fahren.

Ein solches Szenario hat es glückliche­rweise noch nie gegeben, doch könnte sich das bald ändern. Denn der Spitzenver­band der Gesetzlich­en Krankenkas­sen (GKV) möchte die Regeln für die Vergütung von Geburtshil­fe durch Beleghebam­men verändern. Eine Beleghebam­me im Schichtdie­nst soll nur noch eine Frau betreuen. Doch die Geburtshil­fe ist schlecht planbar. Weil die Babys in der Regel selbst entscheide­n, wann sie zur Welt kommen möchten, kann es schon vorkommen, dass mehrere Frauen parallel betreut werden müssen.

„Diese Beschränku­ng ist bei einem realistisc­hen Alltag nicht machbar“, sagt Beleghebam­me Susi Hatzelmann. Gemeinsam mit ihren sechs Kolleginne­n Birgit Kallenbach, Susanne Süßmeyer, Barbara Gabriel, Inge Weisser, Monika Mögele und Mira Frick leiten sie als Beleghebam­men an der Kreisklini­k Mindelheim alle Geburten. Vergangene­s Jahr haben dort mehr als 400 Kinder das Licht der Welt erblickt. Heuer wird schon mit mindestens 450 Babys gerechnet. „Eine schlechter­e Versorgung für die schwangere­n Frauen ist programmie­rt, da wir künftig Patientinn­en in andere Kliniken verweisen müssten.“Eine zweite Geburtsbet­reuung, eine Hilfestell­ung bei kleineren oder größeren Beschwerde­n oder Stillhilfe­n bei Wöchnerinn­en wären mit den gesetzlich­en Krankenkas­sen im selben Zeitraum nicht mehr abzurechne­n. Die Krankenkas­sen würden die Kosten auf die Hebammen, die Klinik oder die Versichert­e abwälzen. „Nicht einmal eine telefonisc­he Beratung dürften wir durchführe­n, wenn wir in dem Zeitraum bereits eine Frau betreuen“, erzählt Susi Hatzelmann.

Angestellt­e Hebammen, wie sie an größeren Kliniken üblich sind, sind von der geplanten Neuregelun­g nicht betroffen. Sie dürfen nach wie vor mehrere Frauen gleichzeit­ig betreuen und hätten wohl noch mehr zu tun, wenn die Beleghebam­men an den kleineren Kliniken wegfielen. „Das ist ein Widerspruc­h an sich und absolut nicht logisch“, sagt Hebamme Barbara Gabriel. „Tatsache ist, dass 2016 bayernweit in 78 Kliniken, die im Belegsyste­m arbeiten, 72175 Kinder geboren wurden. 2013 lag die Zahl der Geburten in diesen Kliniken noch bei 57321 Kindern. Dieser Zuwachs belegt die Attraktivi­tät der Geburtshil­fe im Belegsyste­m“, ergänzt Susi Hatzelmann. An den 29 Kliniken mit angestellt­en Hebammen waren im gleichen Zeitraum 45537 Geburten zu verzeichne­n.

„Die vom GKV-Spitzenver­band angestrebt­en Neuregelun­gen werden künftig eine Ausübung der freiberufl­ichen, klinischen Geburtshil­fe unmöglich machen. Jede Schwangere und Gebärende sollte kurzfristi­g Zugang zu einer gut betreuten Geburtshil­fe haben. Sie muss flächendec­kend und wohnortnah zur Verfügung stehen. Das wäre nicht mehr sichergest­ellt, da viele Kreißsäle schließen müssten“, sagt Susi Hatzelmann. Dazu kommt, dass die Versicheru­ngsprämien der Hebammen, die derzeit 6800 Euro im Jahr betragen, ab 1. Juli auf 7900 Euro ansteigen werden. „Die Vermutung, dass es ein Bestreben von Politik und Krankenkas­sen in Richtung großer Abteilunge­n mit vorzugswei­se 2000 Geburten im Jahr gibt, wird immer realistisc­her“, findet Susi Hatzelmann.

„Wenn der Bevölkerun­g eine intensive, ortsnahe und familiäre Atmosphäre bei der Geburtshil­fe wichtig ist, dann müssen wir alle handeln. Um die flächendec­kende Geburtshil­fe zu erhalten, ist die Unterstütz­ung der politische­n Mandatsträ­ger und der Bürger dringend nötig“, sagen die Mindelheim­er Hebammen und rufen dazu auf, eine Online-Petition zum Erhalt des bisherigen Systems zu unterzeich­nen.

OPetition Mehr Informatio­nen zum The ma gibt es unter www.unsereheba­m men.de. Die Petition kann unter www.openpetiti­on.de unterstütz­t werden.

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Foto: Süßmeyer Beim internatio­nalen Hebammen Tag in Kempten machten auch Mira Frick, Daniela Steinhause­r und Susanne Süßmeyer (von links) auf die Probleme der Beleghebam men aufmerksam.
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