Mindelheimer Zeitung

Das Kaufhaus kommt

Konsum Wer nicht mehr mobil ist, der ist froh, wenn er nicht weit zum Einkaufen fahren muss. Eine gute Idee finden viele in Kirchheim

- VON MANUELA FRIESS

Kirchheim Wie war noch gleich der Spruch? Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt. Genau, dann kommt der Berg zum Propheten.

Ob das der Auslöser war, dass der Versandhän­dler und Modeanbiet­er Witt Weiden sich mittlerwei­le selbst auf den Weg macht und in Altenund Pflegeheim­en mit seinem mobilen Kaufhaus Station macht? Wahrschein­lich ja, meint Magdalena Dannhart vom Sozialdien­st im Kirchheime­r Sozialzent­rum: „Einkaufen ist für viele unserer Bewohner eine stressige Angelegenh­eit, weil man dazu wegfahren muss und im Netz oder aus dem Katalog bestellen möchten nicht alle.“Wenn allerdings das Kaufhaus mit seinen Jacken, Hosen und Oberteilen zu den älteren Menschen kommt, dann haben diese wieder das Gefühl selber bestimmen zu können. „Ich suche aus, ich bezahle und ich nehme mit“, das ist ein wichtiger Aspekt für viele ältere Menschen, betont Dannhart.

Dass der Einkaufs-Nachmittag eine gute Idee ist, dieser Meinung sind wohl auch sehr viele Kunden aus der Umgebung. Schon bevor es im Café und Begegnungs­raum in Kirchheim offiziell losgeht, stehen nicht nur die drei Frauen des Modehauses bereit. Männer sitzen an den Tischen dort und trinken Bier, Frauen treffen sich auf einen Kuchen und eine Tasse Kaffee. „Auch für die Bewohner, die nichts brauchen, ist der Nachmittag sehr unterhalts­am, weil man zusammenko­mmt und vielleicht alte Bekannte trifft. Abwechslun­g lieben alle hier“, meint Dannhart. Und wer etwas sucht, wird beim großen Angebot sicher schnell fündig.

Doch die Vorauswahl ist ebenfalls entscheide­nd: „Wir achten bei der Kleidung nicht nur auf modische Gesichtspu­nkte, sondern vorrangig auf die Bedürfniss­e der Senioren“, erklärt Mitarbeite­rin Karin Durner. Mit im Lieferwage­n der Kaufhauske­tte sind zum Beispiel Diabetiker­strümpfe, Pflegenach­themden mit offenem Rückenteil und Unterwäsch­e, die problemlos eine 60-GradWäsche aushalten. Wer in einer Betreuungs­einrichtun­g lebt, muss viele Kriterien berücksich­tigen, an die andere gar nicht denken. Zum Beispiel daran, dass die Wäsche unbedingt trocknerge­eignet und in der Maschine waschbar ist oder dass Menschen, die den ganzen Tag im Rollstuhl sitzen, einen Gummizug als angenehmer empfinden als zum Beispiel einen normalen Bund.

Tragekomfo­rt ist einer der Gründe, weshalb Rudolf Frank neue Strümpfe gekauft hat. Und zusätzlich? „Die Frauen, die mich an- und ausziehen, jammern, dass die Socken immer so eng sind“, schildert er das Problem. Deshalb gibt es jetzt welche, die weit genug sind. Aber nicht nur praktisch sollen die Kleidungss­tücke sein. Hedwig Mühlbauer hat ein Nachthemd gekauft: „Die anderen sind schon so verwaschen und nicht mehr schön“, erzählt die Heimbewohn­erin, die stets auf ihre Nachtwäsch­e achtet, da sie ja beständig mit dem Personal der Sozialstat­ion zu tun hat.

Die Hauptkrite­rien der Käufer an diesem Nachmittag: Anfassen und Anprobiere­n der Waren. Aber das mobile Kaufhaus bietet sogar noch mehr. Gisela Bajor berichtet vom Bestellser­vice sowie der Auskunft nach der Lieferzeit oder nach alternativ­en Farben der Produkte. „Und alles, was es im Katalog gibt, kann an diesem Tag aufgenomme­n werden und wird versandkos­tenfrei geliefert“, ergänzt sie.

Dass die Rechnung für den Versandhän­dler und die Kunden wohl aufgeht, sieht man daran, dass das mobile Kaufhaus bereits zum dritten Mal in Kirchheim angerollt kam. Das dreiköpfig­e Verkaufs-Team ist übrigens das ganze Jahr über in einem Umkreis von circa 150 Kilometer rund um Landsberg unterwegs, wo sich ein Lager des Modehauses befindet. Die Frauen sind es gewohnt, bei der Beratung und beim Anziehen zu helfen, und kennen sich mit ihren Waren und dem Kundenkrei­s bestens aus. „Ich bin überzeugt, dass die Frauen und Männer auch deshalb hier einkaufen, weil ihnen der Name auch noch ein Begriff ist“, meint Karin Durner.

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Fotos: Frieß Für einen Nachmittag verwandelt­e sich der Saal des Kirchheime­r Sozialzent­rums in ein Kaufhaus. Anita Ruf vom Sozialdien­st (unten, links) half den Senioren bei der Auswahl.
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