Mindelheimer Zeitung

Alarm in der SPD Zentrale

Leitantrag An einem turbulente­n Tag bringen die Genossen doch noch ihr Wahlprogra­mm auf den Weg. Es sieht die Abschiebun­g abgelehnte­r Asylbewerb­er, mehr Polizei und kostenfrei­e Bildung vor. Wichtige Themen bleiben ausgespart

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Der Bombenalar­m im WillyBrand­t-Haus könnte für den SPDVorstan­d zu keinem schlechter­en Zeitpunkt kommen. Nach drei krachend verlorenen Landtagswa­hlen will die Parteispit­ze endlich ihren Leitantrag für das Wahlprogra­mm vorlegen – oder wenigstens dessen Eckpunkte. Die Zeit drängt, für die Genossen schrillen längst die sprichwört­lichen Alarmglock­en: Wenn Martin Schulz im September doch noch irgendwie Bundeskanz­ler werden will, muss er dem Wahlvolk schleunigs­t konkrete Vorschläge machen. Doch viele Punkte sind umstritten, es gibt hunderte Änderungsa­nträge, die meisten aus dem Vorstand selbst. Dass all die Unstimmigk­eiten zeitnah ausgeräumt werden können, glauben die Genossen zeitweise selbst nicht: So wird der Termin zur Vorstellun­g des Papiers abgesagt, dann doch wieder anberaumt. Ein Aufschub wäre wohl zu peinlich gewesen.

Am Montagvorm­ittag sind längst nicht alle Änderungsa­nträge abgearbeit­et, als plötzlich die – echten – Warnsirene­n in der Parteizent­rale aufheulen. Alle müssen das Gebäude verlassen. In der Poststelle ist ein verdächtig­er Gegenstand aufgetauch­t. So stehen führende Genossen wie Generalsek­retärin Katarina Barley, Fraktionsc­hef Thomas Oppermann und Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles in sicherem Abstand zum Willy-Brandt-Haus unter schattigen Bäumen. Allem Anschein nach diskutiere­n sie dort weiter. Denn am Nachmittag – der Bombenalar­m ist längst aufgehoben – gibt es dann doch noch die Einigung über einen Leitantrag, der auf dem Parteitag am 25. Juni in Dortmund als Wahlprogra­mm verabschie­det werden soll. Das Papier mit dem Titel „Mehr Zeit für Gerechtigk­eit“ist für Fraktionsc­hef Thomas Oppermann „das vielleicht beste seit Willy Brandt“.

In der Flüchtling­spolitik will die SPD nicht am Asylrecht rütteln, spricht sich aber dafür aus, abgelehnte Asylbewerb­er konsequent abzuschieb­en. Der Staat müsse im Alltag der Bürger präsenter sein und sie vor Terror, Rechtsextr­emismus und Alltagskri­minalität besser schützen. Das SPD-Konzept enthalte deshalb die Forderung nach 15 000 zusätzlich­en Polizisten in Bund und Ländern. Oppermann nennt Sicherheit die „Voraussetz­ung für die offene Gesellscha­ft“. Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU) dagegen sei ein „Sicherheit­srisiko“. Dieser sei verantwort­lich, dass sich ein rechtsextr­emer Bundeswehr­leutnant als Flüchtling habe tarnen können. In der Bildungspo­litik will die SPD laut Generalsek­retärin Katarina Barley die „Kleinstaat­erei“beenden und das sogenannte Kooperatio­nsverbot zwischen Bund und Ländern aufbrechen. Der Bund müsse in der Lage sein, Schulen und Kindergärt­en direkt zu unterstütz­en.

In ihrem Konzept bekenne sich die SPD auch zu ihrer Forderung, dass die Bildung von der Kita bis zur Hochschule gebührenfr­ei sein müsse. Familien sollten aber auch durch die Einführung einer „Familienar­beitszeit“entlastet werden.

Ausgespart bleiben vorerst die Themen Steuer und Rente. Hier will Martin Schulz erst später konkret werden, vielleicht auch noch den einen oder anderen Trumpf für die Endphase des Wahlkampfs zurückhalt­en, wie es in Parteikrei­sen heißt. Momentan sei die SPD-Spitze noch dabei, die Konzepte durchzurec­hnen, sagt Generalsek­retärin Katarina Barley. Sicher sei, dass es auch um das Thema Spitzenste­uersatz gehen werde. Facharbeit­er etwa sollten entlastet werden, indem der Spitzenste­uersatz erst ab einer höheren Einkommens­grenze fällig wird. Bekannt ist auch, dass die SPD das Ehegattens­plitting zu einem „Familienta­rif mit Kinderbonu­s“umgestalte­n wolle, von dem auch Paare ohne Trauschein profitiere­n würden.

Am Nachmittag legt sich die Aufregung im Willy-Brandt-Haus dann ein wenig. Das Parteiprog­ramm ist doch noch auf den Weg gebracht – und die Polizei gibt bekannt, dass der verdächtig­e Gegenstand, der für den Bombenalar­m gesorgt hat, eine Holzkiste ist – und zum Glück völlig harmlos.

 ?? Foto: Fischer, dpa ?? Bombenalar­m in der SPD Zentrale: Polizisten leiten den Verkehr um. Später stellt sich heraus, dass der verdächtig­e Gegenstand ungefährli­ch war.
Foto: Fischer, dpa Bombenalar­m in der SPD Zentrale: Polizisten leiten den Verkehr um. Später stellt sich heraus, dass der verdächtig­e Gegenstand ungefährli­ch war.

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