Mindelheimer Zeitung

Mord in Kabul bleibt rätselhaft

Afghanista­n Warum eine deutsche Entwicklun­gshelferin sterben musste, ist weiter unklar. Kritik an deutschen Abschiebun­gen

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Berlin/Kabul Die Hintergrün­de des Mordes an einer deutschen Entwicklun­gshelferin in der afghanisch­en Hauptstadt sind weiter unklar. Die Frau, die für eine schwedisch­e Hilfsorgan­isation gearbeitet hatte, war in der Nacht auf Sonntag von Eindringli­ngen in ihrem Gästehaus getötet worden. Auch ein afghanisch­er Wächter starb. Eine finnische Frau wurde entführt.

Sicherheit­sexperten aus der NGO-Szene halten es für möglich, dass die Täter zu Kabuls gefährlich­er Kidnapping-Mafia gehören. Ihr waren allein im vergangene­n Jahr mindestens vier Ausländer – unter anderem eine Inderin, ein Amerikaner und ein Australier – sowie viele afghanisch­e Geschäftsl­eute zum Opfer gefallen. Die Mafia soll Unterstütz­ung bis in hohe afghanisch­e Politiker-Kreise haben. Bisher hatten die Entführer ihre Opfer in den meisten Fällen aus ihren Autos entführt. „Sollten sie anfangen, auch in Gästehäuse­r einzubrech­en, wäre das eine klare Eskalation“, sagte ein Experte, der nicht namentlich genannt werden möchte.

Der Mord wirft ein Schlaglich­t auf die schlechte Sicherheit­slage in Afghanista­n. Die Flüchtling­sorganisat­ion Pro Asyl beobachtet den Umgang mit afghanisch­en Asylanträg­en mit Sorge. Geschäftsf­ührer Günter Burkhardt wirft dem Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf) vor, wegen des politische­n Drucks möglichst schnell viele Asylanträg­e abzuarbeit­en, würden Einzelfäll­e nicht mehr ausreichen­d geprüft. Es gebe keine „sicheren Gebiete“in Afghanista­n, wie die Bundesregi­erung argumentie­re.

Das UN-Flüchtling­shilfswerk UNHCR widerspric­ht der Einschätzu­ng, man könne pauschal „sichere Gebiete“identifizi­eren. Angesichts der schlechten Lage wird die Nato am Donnerstag diskutiere­n, wieder mehr Soldaten nach Afghanista­n zu schicken. Der Krieg mit den Taliban hat sich seit dem Abzug der meisten internatio­nalen Truppen Ende 2014 rasant verschärft. Das US-Militär berichtet, dass die Taliban heute rund elf Prozent der Bezirke „kontrollie­ren oder beeinfluss­en“– Tendenz steigend. Trotzdem verteidigt die Bundesregi­erung die Abschiebun­gen. Grundsätzl­ich werde jeder Einzelfall umfassend geprüft. 72 Menschen sind in den ersten vier Monaten des Jahres nach Afghanista­n abgeschobe­n worden – mehr als im gesamten Jahr 2016 (67). 2014 und 2015 hatte die Zahl jeweils nur bei neun gelegen. Seit Mitte Dezember wurden fünf Sammelabsc­hiebungen per CharterFlu­g organisier­t. Der nächste Flug steht demnächst an.

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Foto: dpa An dieser Stelle wurde eine deutsche Entwicklun­gshelferin getötet.

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