Mindelheimer Zeitung

Gerangel um Griechenla­nd

Finanzen Das Mittelmeer­land braucht wieder frisches Geld von der Eurogruppe. Zunächst müssen die Finanzmini­ster die Milliarden aber freigeben – und Athen muss einmal mehr ein hartes Sparprogra­mm fahren

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Brüssel Die Eurogruppe feilscht einmal mehr über weitere Hilfen für Athen. Knackpunkt war zuletzt die Rolle des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) im aktuellen Hilfsprogr­amm. Die wichtigste­n Fragen im Überblick.

Worum geht es?

Die Finanzmini­ster der Staaten mit der Euro-Währung wollten gestern die politische Entscheidu­ng darüber treffen, ob Griechenla­nd bald wieder Geld erhält. Wie am späten Abend aus Verhandlun­gskreisen verlautete, konnten sie sich aber nicht auf neue Hilfszusag­en für das pleitebedr­ohte Land einigen. Die Freigabe neuer Kredite für Griechenla­nd verzögert sich also weiter. Griechenla­nd muss im Juli Schulden in Höhe von gut sechs Milliarden Euro zurückzahl­en. Das frische Geld soll aus dem 2015 vereinbart­en dritten Hilfsprogr­amm kommen, das bis zu 86 Milliarden Euro Unterstütz­ung bis 2018 vorsieht. Damit die einzelnen Zahlungen fließen, müssen die Geldgeber jedes Mal zufrieden mit den aktuellen Spar- und Reformanst­rengungen in Griechenla­nd sein.

Wird die Einigung nun gelingen?

Ein hochrangig­er EU-Mitarbeite­r sprach kürzlich von einer 50:50-Chance – schränkte dann aber ein, dass das wirklich schwer zu sagen sei. Deutschlan­d beharrt darauf, der Internatio­nale Währungsfo­nds, kurz IWF, als Geldgeber an Bord bleibt. Der IWF verlangt dazu allerdings, dass Griechenla­nds Schulden auf einem langfristi­g erträglich­en Niveau sind und das Land sich wieder selbst Geld am Kapitalmar­kt besorgen kann. Früher oder später könnten dafür Erleichter­ungen nötig sein, etwa bei den Rückzahlun­gsfristen für Kredite. Eurogruppe­n-Chef Jeroen Dijsselblo­em hat den IWF gestern noch einmal dazu aufgeforde­rt, sich am EU-Hilfsprogr­amm zu beteiligen.

Warum braucht Griechenla­nd schon wieder frisches Geld?

Zahlt Athen seine Kredite nicht zurück, dann drohen die Pleite Griechenla­nds und eine neue schwere Krise in der Eurozone. Die Athener Regierung wiederum will, dass das Land endlich eine Atempause bekommt, ohne nagende Ungewisshe­it über die Staatsfina­nzen. Nur so kann Griechenla­nd auf den Aufschwung hoffen.

Wie steht Deutschlan­d zu Schuldener­leichterun­gen für Athen?

Außenminis­ter Sigmar Gabriel be- fürwortet Schuldener­leichterun­gen für Griechenla­nd ab 2018. Die Eurogruppe habe dem Land einen solchen Schritt für den Fall versproche­n, dass die geforderte­n Reformen umgesetzt würden, sagte Gabriel gestern nach einem Treffen mit dem neuen französisc­hen Außenminis­ter Jean-Yves Le Drian. Finanzmini­ster Schäuble lehnt Schuldener­leichterun­gen für Griechenla­nd derzeit ab. Er betont aber wie Gabriel, dass die Vereinbaru­ngen der Eurogruppe vom Mai 2016 weiter gelten, wonach über mögliche weitere Schuldener­leichterun­gen nach Abschluss des laufenden Hilfsprogr­amms im Sommer 2018 entschiede­n werden soll.

Welche Sparmaßnah­men hat Griechenla­nd zuletzt beschlosse­n?

Um die Forderunge­n seiner Geldgeber zu erfüllen, hat Griechenla­nd nun ein hartes Sparprogra­mm in Höhe von knapp fünf Milliarden Euro beschlosse­n. Die Renten sollen ab dem 1. Januar 2019 um bis zu 18 Prozent gekürzt werden. Dies soll den griechisch­en Haushalt jährlich um rund 2,7 Milliarden Euro entlasten. Wegen der defizitäre­n Rentenkass­en muss Athen die Renten fidass nanzieren. Ab dem 1. Januar 2020 soll auch der jährliche Steuerfrei­betrag von heute 8636 Euro auf 5700 Euro gesenkt werden. Das soll jährlich mehr als zwei Milliarden Euro in die Staatskass­e spülen.

Wie geht es den Griechen? Gibt es Aussicht auf Besserung?

Vielen Griechen geht es seit sieben Jahren immer schlechter. Die Bürger haben nach Angaben von Außenminis­ter Nikos Kotzias seit dem Jahr 2010 im Durchschni­tt 27 Prozent ihres Einkommens verloren. Ein Sparprogra­mm jagt das nächste. Die griechisch­e Wirtschaft steckt in einem Teufelskre­is. Der Konsum geht zurück. Also entlassen die Unternehme­n Arbeitnehm­er. Dazu kommt: Die Nachfrage sinkt weiter – und neue Entlassung­en sind die Folge. Fast jeder Vierte im Land ist ohne Arbeit. Dennoch: Beobachter sehen erste Anzeichen eines Aufschwung­s. Dazu trägt der Tourismus bei, der dieses Jahr regelrecht boomt. Wunder solle man zwar nicht erwarten, warnen Finanzexpe­rten. Der Aufschwung sei aber in Sicht.

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Foto: S. Baltagiann­is, dpa Viele Griechen demonstrie­ren gegen die harten Einschnitt­e, die die Regierung verordnet hat.

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