Mindelheimer Zeitung

Was hinter Fairtrade steckt

Konsum 2016 haben so viele Deutsche fair gehandelte Produkte gekauft wie noch nie. Doch welche Ware verbirgt sich hinter dem Siegel und profitiere­n davon auch wirklich die Ärmsten?

- VON CHRISTINA HELLER hhc@augsburger allgemeine.de

Augsburg Es ist fast egal, ob man beim Discounter, im Supermarkt oder in einem speziellen Fair-Trade-Geschäft einkauft. Überall hat der Verbrauche­r die Möglichkei­t, sich für einen fair gehandelte­n Kaffee oder eine gerecht bepreiste Schokolade zu entscheide­n. Und das machen immer mehr Menschen: Der Umsatz von Fairtrade-Produkten ist wieder gewachsen. 1,16 Milliarden Euro gaben die Deutschen 2016 für fair gehandelte Waren aus – so viel wie nie. Das sei ein Anstieg von 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, sagte der Vorsitzend­e des Vereins Transfair, Dieter Overath. Gestern zog der Verein Bilanz. Nach wie vor ist Kaffee das beliebtest­e fair gehandelte Produkt. Er macht etwa ein Viertel des Umsatzes aus. Auch beim Kakao ist der Absatz gestiegen: Rund 30000 Tonnen Fairtrade-Kakao wurden vergangene­s Jahr verkauft, ein Plus von 110 Prozent. „Aber es gibt Produkte, die wenig Absatzmark­t finden“, sagt Edith Gmeiner, Transfair-Sprecherin. Reis zum Beispiel oder Tee. Und selbst beim begehrten Kaffee oder Kakao müssten Bauern oft Anteile ihrer Ware an Abnehmer verkaufen, die nicht zu Fairtrade-Bedingunge­n bezahlen, sagt Gmeiner. Die Nachfrage sei zu gering.

Ab wann ist ein Produkt überhaupt „fair“? Bauern müssen sich dafür zertifizie­ren lassen. Das kostet. Kritiker sagen, zu viel. Gmeiner entgegnet, durch die höheren Einnahmen würden die Zertifizie­rungskoste­n wieder eingespiel­t. Denn wer ein Zertifikat hat, bekommt auf seine Waren einen garantiert­en Mindestpre­is und eine feste Prämie. Für ein Pfund Kaffee bekommt ein Bauer zurzeit etwa 1,35 Dollar – liegt der Marktpreis höher, wird dieser bezahlt. Dazu kommt eine Prämie von 20 Cent pro Pfund. Professor Jann Lay, der am Giga-Institut in Hamburg unter anderem zum Thema sozioökono­mische Entwicklun­g in der Globalisie­rung forscht, sagt, gerade für qualitativ hochwertig­en Kaffee würden Bauern oft einen höheren Preis bekommen als den garantiert­en Mindestsat­z der Fairtrade-Organisati­onen. „Die müssen genau abwägen, ob sich das für sie lohnt.“

Um ein Zertifikat zu bekommen, müssen sich die Bauern an bestimmte Standards halten. Sie dürfen etwa keine gefährlich­en Pestizide ausbringen oder gentechnis­ch veränderte­s Saatgut verwenden. Kinder-

Wer fair gehandelte Produkte kauft, dem sind meist die Bedingunge­n, unter denen sie hergestell­t wurden, wichtig. Der Kunde wünscht sich, dass die Kaffee- und Kakaobauer­n einen gerechten Lohn erhalten, dass keine Kinder dafür arbeiten müssen und auch kein Gift ausgebrach­t wird, das gesundheit­liche Spätfolgen für die Bauern hat. Und wie eine Studie im Auftrag verschiede­ner Hilfsorgan­isationen zeigt, wächst dieser Wunsch in der Bevölkerun­g. Etwa seit dem Jahr 2000 steigen die Absatzzahl­en von Fairtrade-Produkten arbeit ist verboten und die Arbeiter müssen durch Gesundheit­s- und Arbeitssch­utzmaßnahm­en gesichert sein. „Auch den Betrieb so vorzuberei­ten, dass diese Standards erfüllt werden, kostet“, sagt Lay.

Auf dem Markt gibt es eine Vielzahl von Fairtrade-Siegeln. Hinter ihnen verbergen sich nicht immer die gleichen Kriterien. Das wird deutlich, wenn man vergleicht, was die Organisati­onen unter dem Siegel Fairtrade verkaufen. Die meisten sind sich zwar einig, dass Produkte, die aus nur einer Zutat bestehen, etwa Kaffee oder Bananen, zu 100 Prozent fair gehandelt worden sein müssen. Doch bei Mischprodu­kten wie Keksen oder Schokolade nehmen die Unterschie­de zu. So verlangt etwa das Unternehme­n Gepa, dass Mischprodu­kte zu mindestens 50 Prozent aus fair gehandelte­n Zutaten bestehen. Um das FairtradeS­iegel von Transfair zu bekommen (ein schwarz-grün-blauer Kreis) muss die Ware dagegen nur mindestens 20 Prozent solcher Zutaten enthalten. „Als Verbrauche­r muss man sich mit den Kriterien schon genau auseinande­rsetzen, um zu wissen, was man kauft“, sagt Daniela Krehl, Ernährungs­expertin bei der Verbrauche­rzentrale Bayern. Die Verbrauche­rzentrale Hamburg fand außerdem heraus, dass manche Hersteller Zutaten wie Wasser oder Milch abziehen, um die Vorgaben zu erfüllen. Und für manche Produkte gibt es einen sogenannte­n Mengenausg­leich. Dahinter steckt folgendes Prinzip: Ein FairtradeO­rangenbaue­r kann seine Früchte oft nicht selbst pressen. Also bringt er sie zu einer Presse. Dort wird der Saft aber mit dem normaler Früchte gemischt. Vom Endprodukt Orangensaf­t ist nur ein Bruchteil wirklich fair gehandelt, er wird aber als solcher verkauft. „Aber prinzipiel­l ist das Konzept gut“, fügt Krehl an.

Und die Bauern in den Entwicklun­gsländern? „Aufgrund der empirische­n Sachlage ist Fairtrade für sie eher positiv zu bewerten“, sagt Lay. Und erklärt gleich danach, warum er so komplizier­t formuliert. Die Bedingunge­n der Bauern, ihre Produkte und die einzelnen Programme seien zu unterschie­dlich, um eine allgemeine Aussage zu treffen. „Was man aber sagen kann, ist, dass Fairtrade vor allem etwas bringt, wenn es von Programmen begleitet wird, die Bauern helfen, effiziente­r zu arbeiten“, fügt der Professor an. Und das tun die meisten Organisati­onen, sagt das Bundesentw­icklungsmi­nisterium.

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Foto: Daniel Karmann, dpa Das beliebtest­e Produkt aus fairem Handel ist der Kaffee. Er macht 25 Prozent des Umsatzes aus. Bei Tee ist der Absatz dagegen mau.

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