Mindelheimer Zeitung

Bei Anruf Abzocke

Kriminalit­ät Immer öfter geben sich Betrüger als Polizisten aus. In Bayern wurden heuer schon über 1500 Fälle gezählt. Der Schaden geht in die Millionen. Und die Täter denken fast an alles

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

Augsburg/Kempten Es handelt sich um einen Notfall, sagt der Polizist am Telefon. Die Rentnerin aus Marktoberd­orf erschrickt. Ihre Adresse soll auf der Liste einer rumänische­n Einbrecher­bande stehen. Die 71-Jährige verbarrika­diert sich ängstlich in ihrem Haus. Aber der Polizist ruft immer wieder an und weiß Rat: Sie solle ihr Geld von der Bank holen und der Polizei übergeben. Dort sei es sicher. Sogar die Telefonnum­mer der Polizei stimmt. Also hebt die Rentnerin 30 000 Euro ab. Die Anweisung des angebliche­n Beamten lautet: Das Geld im Müllhäusch­en hinter der Abfalltonn­e verstecken, dort würden es die Täter niemals vermuten …

Dieser Fall hat sich tatsächlic­h neulich im Landkreis Ostallgäu zugetragen, berichtet der Pressespre­cher des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West, Christian Eckel. Die Seniorin war bereit, die hohe Summe Bargeld hinter die Mülltonne zu legen – wo es dann ein Komplize des falschen Polizisten nachts geholt hätte. Glückliche­rweise hatte sie zuvor ihrer Tochter von den Anrufen erzählt. Und die hatte bereits von dieser neuen Betrugsmas­che gehört.

Angaben des Landeskrim­inalamtes (LKA) kam es in diesem Jahr in Bayern schon zu 1549 Vorfällen, bei denen falsche Polizisten ihr Glück versucht haben. Mehr als 2,8 Millionen Euro haben die Täter dabei erbeutet. „Die Anrufe falscher Polizeibea­mter haben seit Mitte 2016 sehr stark zugenommen“, sagt LKASpreche­r Alexander Groß. Die Dunkelziff­er liege noch deutlich höher. Im Einsatzgeb­iet des Kemptener Polizeiprä­sidiums zählen die Ermittler heuer bereits 79 solcher Vorfälle mit einem Schaden von rund 100 000 Euro, im Bereich des Augsburger Präsidiums 25, berichtet Pressespre­cher Siegfried Hartmann.

Die Masche mit den falschen Polizisten reiht sich ein in Betrügerei­en wie den Enkeltrick, den Schockanru­f oder das Gewinnvers­prechen, vor denen die Polizei seit Jahren warnt. Die verschiede­nen Methoden kommen immer wellenarti­g und mit regionalen Unterschie­den. Doch die Täter gehen immer trickreich­er und perfider vor. „Die angebliche­n Polizisten sitzen häufig in der Türkei, die errichten da regelrecht­e Callcenter und telefonier­en Deutschlan­d systematis­ch durch“, sagt LKA-Sprecher Groß. Eine falsche Telefonnum­mer besorgen sich die Täter im Internet.

Im Fachjargon heißt das „Call ID Spoofing“(siehe Infokasten). Das Gefährlich­e daran: Die Täter rufen zum Beispiel unter der Nummer des Polizeinot­rufs 110 (mit Ortsvorwah­l) an oder besorgen sich sogar die TeleNach fonnummer der örtlichen Polizeidie­nststelle. „Wenn diese Nummer auf dem Display erscheint, wirkt das sehr glaubwürdi­g“, sagt der LKASpreche­r. Der Kemptener Polizeispr­echer Eckel berichtet von einem Fall, in dem zusätzlich gar der Name des Polizeiche­fs angegeben wurde. Gerade Senioren sind dann oft gutgläubig, wenn sich ein Polizist mit Namen meldet und auch die Telefonnum­mer scheinbar stimmt.

Die Betrüger suchen im Telefonbuc­h deshalb gezielt nach Personen mit altmodisch klingenden Namen. Sobald das Opfer Vertrauen gewonnen hat, kommt es zu einer Überweisun­g oder in manchen Fällen zur Übergabe des Geldes. Meistens klingelt ein Polizist mit gefälschte­m Dienstausw­eis an der Haustür. Er nimmt dann wie verabredet das Geld mit oder versucht, in die Wohnung zu kommen und etwas zu stehlen.

Die Betroffene­n bekommen ihr Geld in den allerselte­nsten Fällen zurück, auch weil die falschen Telefonnum­mern nicht zurückzuve­rfolgen sind. Der Polizei bleibt daher nichts anderes übrig, als immer wieder vor solchen Betrügerei­en zu warnen. Derlei Gespräche sollten sofort beendet und die echte Polizei gerufen werden. »Kommentar

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Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa Neue Masche: Betrüger geben sich am Telefon als Polizisten aus. Die (falsche) Telefonnum­mer dafür besorgen sie sich auf erschrecke­nd einfachem Weg im Internet. Vor allem gutgläubig­e Rentner fallen auf diese perfide Methode rein.

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