Mindelheimer Zeitung

Ein Paradies für Wildschwei­ne

Natur Die Sauen vermehren sich in der Region immens. Auf der Suche nach Nahrung und Rückzugsor­ten kommen sie oftmals auch Menschen nahe – näher, als diesen lieb ist

- VON JÖRG SIGMUND

Augsburg Den Wildschwei­nen geht es, salopp gesagt, „saugut“. Riesige Mais- und Rapsfelder, in denen sie im Sommer nicht nur ausreichen­d Nahrung, sondern auch Deckung finden; eine üppige Buchen- und Eichenmast in den Wäldern; milde, wenn im März die ersten Frischling­e geboren werden, auch trockene Winter – das alles hat dazu beigetrage­n, dass die Population der Schwarzkit­tel immens gewachsen ist. Darüber, ob die Zahl der Sauen auch in diesem Jahr deutlich zugenommen hat, lasse sich jedoch nur spekuliere­n, wie Hubert Droste, Leiter des Forstbetri­ebs Zusmarshau­sen im Landkreis Augsburg, sagt. „Keiner weiß es genau“, betont er, „und wir harren der Dinge.“Doch die größer gewordenen Schwarzwil­d-Rotten könnten ein Beleg dafür sein, dass sich die Borstentie­re „wieder prächtig vermehrt haben“.

Davon geht auch Peter Graser, der stellvertr­etende Leiter des Forstbetri­ebs Landsberg, aus. „Der Winter war nicht hart, der Tisch für die Sauen durch die Buchen- und Eichenmast in den Wäldern gedeckt.“Der Staatsfors­t habe im vergangene­n Jagdjahr massive Anstrengun­gen unternomme­n, um die Wildschwei­nbestände zu reduzieren, sagt Graser. Mit 252 erlegten Sauen sei sogar eine Rekordstre­cke im 16000 Hektar großen Forstbetri­eb Landsberg erzielt worden – vor Jahren dort noch undenkbar.

Und dann ist da eine interessan­te Beobachtun­g zu machen. Die Schwarzkit­tel tummeln sich inzwischen nicht mehr nur in Wald und sondern auch am Westufer des Ammersees. Die ortsnahen, ausgedehnt­en Schilfbest­ände seien ein ideales Rückzugsge­biet für die Wildschwei­ne und eine Bejagung nahezu unmöglich, sagt Graser. Im Schutz der Dunkelheit ziehen die Sauen dann auf an den See angrenzend­e Grundstück­e, machen sich in den Gärten über Komposthäu­fen die verbessert­en Bedingunge­n mit unglaublic­hen Vermehrung­sraten“, sagt Jürgen Vocke, Präsident des bayerische­n Jagdverban­des. Und bereits Überläufer seien heute in ihrem ersten Lebensjahr schon geschlecht­sreif.

Das Problem für die Jäger: Finden die Sauen in den großen Maisund Rapsfelder­n, die häufig direkt an den Wald angrenzen, Deckung, ist es kaum möglich, an die Tiere ranzukomme­n. Vocke appelliert deshalb seit langem an die Landwirte, Schussschn­eisen anzulegen. Die vom Bauernverb­and geforderte­n Nachtzielg­eräte oder Restlichta­ufheller an den Waffen lehnt Vocke weiter entschiede­n ab. Sie sind in Bayern zwar „unter bestimmten Voraussetz­ungen“erlaubt, doch der Jägerpräsi­dent will da nicht mitmachen. Der ehemalige Richter hat stets darauf hingewiese­n, dass „militärisc­he Hilfsmitte­l“wie eben Nachtzielg­eräte seit Jahren strengsten­s verboten sind und nur von SonFeld, dereinsatz­kommandos der Polizei und Bundeswehr verwendet werden dürfen. Allein der Besitz werde bisher mit einer Freiheitss­trafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet, sagt Vocke.

Er plädiert deshalb vielmehr dafür, zwei- bis dreimal jährlich gut organisier­te, revierüber­greifende Drückjagde­n abzuhalten. Unterfrank­en, wo es die meisten Sauen in Bayern gebe, mache das vor. Alleine mit nächtelang­em Ansitzen seien die Schwarzwil­d-Bestände nicht mehr zu reduzieren. Vocke setzt nicht zuletzt auf eine enge Zusammenar­beit zwischen Jägern, Bauern und Forst. „Ohne die Unterstütz­ung durch die großen Waldbesitz­er kommen wir in der Wildschwei­n-Problemati­k nicht voran.“Und er hofft auf finanziell­e Unterstütz­ung durch den Staat. So müsse jedes erlegte Wildschwei­n nicht nur auf Trichinen, sondern auch auf Cäsiumbela­stung untersucht werden. Dabei sollte den Jägern bei den Gebühren entgegenge­kommen werden, sagt Vocke.

Auch Zusmarshau­sens Forstbetri­ebsleiter Droste betont, dass kein Schwarzkit­tel die Wildkammer ohne Untersuchu­ng verlasse. Er hat in diesem Jahr eine interessan­te Feststellu­ng gemacht. Die radioaktiv­e Belastung der Tiere sei in seinem Dienstbere­ich noch nie so gering gewesen. Droste führt dies vor allem darauf zurück, dass sich die Sauen verstärkt von Eicheln und Bucheckern im Wald ernährt haben. Und weniger von Pilzen wie dem Maronenröh­rling oder dem knollenart­igen Hirschtrüf­fel, die das strahlende Cäsium 137 besonders stark anreichern.

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Foto: Gregor Fischer, dpa Nachwuchs im Hause Wildschwei­n: In Bayern ist die Population der Tiere zuletzt im mer weiter gewachsen.

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