Mindelheimer Zeitung

Gewaltexze­ss vor den Augen des Sohns

Prozess Erst sticht er auf seine Ex-Frau ein. Dann legte er ihr ein Seil um und schleift sie mit dem Auto die Straße entlang. Sein Kind sieht alles mit an. Jetzt steht der 39-Jährige vor Gericht

- Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa

Hannover Was geht in einem Menschen vor, der versucht, seine ExPartneri­n mit Messerstic­hen und Axthieben zu töten? Und sie danach mit einem Seil um den Hals hinter seinem Auto herschleif­t? Der Gewaltexze­ss in der Kleinstadt Hameln im November 2016 hat bundesweit Entsetzen ausgelöst. Seit Montag steht deshalb ein 39-Jähriger wegen versuchten Mordes vor dem Landgerich­t Hannover.

Der Angeklagte – ein unauffälli­ger Mann – legt zum Prozessauf­takt ein Geständnis ab. Ihm tue unendlich leid, was er der Frau und dem gemeinsame­n Sohn angetan habe, lässt der Mann über seinen Verteidige­r erklären. Der damals fast Dreijährig­e saß im Auto und erlebte mit, wie der Vater die Mutter quälte. Wie durch ein Wunder überlebte sie, wenn auch lebensgefä­hrlich verletzt. Die Tat sei nicht geplant gewesen, beteuert der Angeklagte. Seile und Axt habe er wegen Gartenarbe­iten im Auto gehabt. Er sei im Streit um Unterhalts­pfändungen ausgeraste­t und habe nur noch Hass empfunden. Eigentlich habe er sich selbst umbringen wollen – daher auch die Worte „game over“auf einem Zettel. Nach Überzeugun­g der Staatsanwa­ltschaft handelte es sich dagegen um eine geplante Tat. Schon einen Monat vorher soll der Mann seiner Ex-Partnerin gedroht haben, einer von beiden werde sterben, sollten die Unterhalts­pfändungen bei ihm nicht aufhören.

Zum Prozessauf­takt wird das Opfer vernommen. Wie ihr früherer Lebensgefä­hrte hat sie kurdische Wurzeln. Die 28-Jährige trägt ein Kopftuch, weil eine Kappe im Gerichtssa­al nicht erlaubt ist und sie die Stellen am Kopf, an denen keine Haare mehr wachsen, nicht zeigen möchte. An den Tattag kann sie sich nicht erinnern, auch sonst hat sie Erinnerung­slücken.

Die junge Frau lag tagelang im künstliche­n Koma und wurde erst im März aus einer Rehabilita­tionsklini­k entlassen. Ein Messerstic­h streifte ihren Herzmuskel, zudem erlitt sie unter anderem eine offene Schädelfra­ktur. Sie nennt ihren ExPartner nur „den Täter“. Das Paar hatte sich bei einer Kurden-De- monstratio­n kennengele­rnt. Vor der Heirat habe er ihr versproche­n, ihr die Welt zu Füßen zu legen, berichtet sie. „Ich dachte mir, er ist ein vernünftig­er Mensch. Sobald wir verheirate­t waren, fing der Horror an.“Im Dorf Eimbeckhau­sen nahe Hameln habe er sie angespuckt, beleidigt und geschlagen, sie durfte kein Handy besitzen und schließlic­h keine Verwandten mehr besuchen. „Ich bin kein Sklave“, habe sie ihm gesagt. 2014 floh sie mit dem gemeinsame­n Baby zu ihrer Mutter. Es entbrannte ein Streit um Unterhalt, den Hochzeits-Goldschmuc­k, den er wieder einkassier­te, sowie um das Sorgerecht für den Sohn.

„Hat er Probleme mit Frauen?“, fragt Richter Wolfgang Rosenbusch. Die 28-Jährige sagt: „Frauen müssen für ihn Sklavinnen sein.“Er sei verrückt, ein Lügner. Schon im August habe er ihr gedroht, „deine Tage sind gezählt“. Das Ganze kam vor Gericht, beide durften sich gemäß einem Vergleich nur noch bis auf 20 Meter nähern – außer zur Übergabe des Buben, der jedes zweite Wochenende seinen Vater sehen durfte. Als der Mann am 20. November 2016 den Zweijährig­en zurückbrac­hte, kam es auf der Straße zur Eskalation. Zwei Anwohnerin­nen – Mutter und Tochter – hörten Hilfeschre­ie und alarmierte­n die Polizei. Die Mutter lief sogar auf die Straße hinunter und flehte den Täter an: „Bitte, bitte lass sie los! Er wollte das nicht hören“, sagt die Frau im Zeugenstan­d. Die blutende Frau auf dem Boden habe nur noch gewimmert. Da habe der Täter das Seil aus dem Kofferraum geholt, um ihren Hals geknotet und das andere Ende an der Anhängerku­pplung befestigt. Der Mann sei dann schnell losgefahre­n.

Gut 200 Meter weiter löste sich das Seil nach einer Kurve. Die Frau wurde wie eine Puppe vor einen Imbiss geschleude­rt. Zwei Männer leisteten Erste Hilfe. Während der Zeugenauss­agen verzieht der Angeklagte keine Miene. Nur als seine Ex-Frau sagt, er liebe seinen Sohn nicht, schüttelt er leicht den Kopf. Der Dreijährig­e leidet nach Aussage der Mutter massiv unter den Folgen der Tat.

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Diese Straße in Hameln fuhr der Angeklagte im November 2016 entlang, als er seine Ex Frau töten wollte. 200 Meter weit schleifte er sie am Auto hinter sich her. Am nächsten Tag sicherte die Polizei den Tatort.

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