Und plötzlich kommt die Decke runter
Unfall In einem kleinen Dorf im Allgäu werden mehrere Gottesdienstbesucher durch schwere herunterfallende Putzteile verletzt. Kein Einzelfall: Immer wieder bröckelt es in Bayerns Kirchen
Vorderburg Es hätte ein schöner, feierlicher Tag werden sollen. Mit zünftiger Stimmung, Sonnenschein, Weißbier und deftigem Allgäuer Essen. Doch dann kam gestern alles anders. Der Tag, an dem der neue Gasthof „Hirsch“in Vorderburg bei Rettenberg im Oberallgäu eingeweiht werden sollte, wurde zu einem Tag, den die Bürger des kleinen Ortes nicht so schnell vergessen werden. Denn beim Festgottesdienst hat sich in der Kirche St. Blasius ein großes Stück Putz aus der Decke gelöst und ist auf eine voll besetzte Kirchenbank gekracht. „Plötzlich hat es einen lauten Knall gegeben“, berichtet ein Besucher nach dem Unglück vor der Kirche.
„Wir haben fünf Personen mit Kopfverletzungen“, sagt Einsatzleiter Christian Bader vom Roten Kreuz. Vier von ihnen wurden mit dem Krankenwagen ins Immenstädter Krankenhaus gebracht. „Die Patienten sind in einer psychischen Ausnahmesituation“, sagt Bader. Auch ein Rettungshubschrauber im Einsatz. Polizei, Ersthelfer und Notärzte waren vor Ort.
Das Stück Deckenputz war nach Angaben der Polizei drei bis fünf Quadratmeter groß. Kirchgänger schätzen, dass es etwa 50 Kilogramm gewogen hat. Der Brocken, der aus zehn Metern Höhe herunterkrachte, sei schon im Fall zerbrochen. Das hat wohl Schlimmeres verhindert. Pfarrer Florian Rapp sagt, mit so einem Unglück habe niemand rechnen können. Es habe vorher keine Anzeichen gegeben, dass sich Putz von der Decke lösen könnte. Damit nicht noch mehr Menschen verletzt würden, habe er schnell dafür gesorgt, dass die Gläubigen das Gotteshaus verließen. „Nicht, dass noch mehr herunterkommt.“Auch Rettenbergs Dritte Bürgermeisterin Huberta Wiedemann ist geschockt. „Ganz schlimm, was da gerade passiert ist.“
Nachdem die Krankenwagen abgefahren waren, präsentierten die Jodler im Festzelt das Lied, das Vorjodlerin Hedwig Roth eigens für diesen großen Tag geschrieben hatte. Bei den Besuchern saß der Schock aber noch immer tief. Die Gläubigen sprachen im Zelt ein gemeinsames Gebet für die Verletzten.
Es ist nicht das erste Mal, dass in bayerischen Kirchen die Decke runwar terkommt. Immer wieder mussten Gotteshäuser im Freistaat aus Sicherheitsgründen gesperrt werden – meist gingen die Vorfälle aber glimpflich aus. Etwa im Jahr 1984, als in der Wieskirche bei Steingaden Putz und Stuck auf die Kirchenbänke fielen. Die Kirche wurde vorübergehend geschlossen und für rund zehn Millionen Mark renoviert. Drei Jahre später, im Jahr 1987, stürzte die Decke der Lindauer Stiftskirche ein. Der Schaden: über sechs Millionen Mark. Die Diözese ließ daraufhin alle Kirchen untersuchen.
Auch in Münsterhausen im Landkreis Günzburg fiel vor einigen Jahren ein großes Deckenstück zu Boden. Weil der Brocken in den Gang zwischen den Bänken krachte, kam glücklicherweise niemand zu Schaden. Verletzt wurde auch in Schwennenbach im Landkreis Dillingen niemand, als im Herbst 2014 große Teile des Deckenfreskos mitten in der Nacht herunterbrachen. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn sich der Vorfall während eines Gottesdienstes ereignet hätte.