Jürgen, Jürgen, muss das sein?
Heinz Strunk Der Hamburger Erfolgsautor macht das, was er am liebsten tut: Er schaut Menschen beim Scheitern zu. Warum das diesmal leider nicht für einen guten Roman reicht
Schlag auf Schlag geht es bei Heinz Strunk. 2016 hat er mit „Der goldene Handschuh“die menschliche Verelendung des Hamburger Frauenmörders Fritz Honka so hautnah beschrieben, als wäre er in der titelgebenden Absturzkneipe auf der Reeperbahn Honkas Thekennachbar gewesen. Der Roman war eine der größten Überraschungen der Saison. Strunk galt plötzlich nicht mehr als der merkwürdige Quatschmacher aus Hamburg-Harburg, sondern wurde als Romancier gefeiert.
Ein gutes Jahr später ist nun wieder ein Roman erschienen. „Jürgen“heißt das Werk. Und, pitschpatsch, ist Strunks Karriere als neuer Liebling des Feuilletons offenbar schon wieder vorbei. Paris, Athen, auf Wiedersehen.
Auf diesem sprachlichen Niveau bewegt sich „Jürgen“– hautnah dran eben an Jürgen Dose, einer der Verlierertypen, denen Strunk so gerne auf den Pelz rückt und als solcher schon eine alte Kunstfigur im Strunk’schen Kosmos. Dose ist ein Mann, der weiß, dass er seine besten Tage längst hinter sich hat – aber die größte Lebensstrecke noch vor sich. Alleinstehend, mittelalt und als Parkhauswächter nicht unzufrieden mit seiner Existenz.
Wenn nur zwei große Einschränkungen nicht wären: Jürgen hat seine pflegebedürftige Mutter bei sich aufgenommen, um die er sich zusammen mit einem Pflegedienst kümmern muss. Viel schlimmer aber: Jürgen findet keine Frau. Und damit sind wir beim Thema seines Lebens – und dem seines Leidensgenossen Bernd Würmer. Freunde aus Mangel an Alternativen sind die beiden, und so traurig, wie das klingt, ist das Buch auch. Heinz Strunk geht immer ganz nah ran an diese bescheidenen Leben. Umso größer der Kontrast zu der „Alles-ist-möglich“-Ratgeberliteratur, aus der Jürgen, der nichts unversucht lässt, lange Strecken zitiert. Soll wohl Fallhöhe konstruieren. Aber: „Da lachen ja die Hühner und noch nicht einmal die.“Leider.
Das Buch wirkt wie aus fertigen Versatzstücken hastig montiert. Es dauert lange, bis Strunk genügend Anlauf genommen hat, um so etwas wie eine Geschichte zu erzählen, Jürgens und Bernds Reise mit einer dubiosen Partneragentur nach Polen. Wenn Strunk sich Zeit nimmt zu erzählen, merkt man: Hätte gut werden können. Leider hat er nicht darauf vertraut – oder sich nicht die Zeit genommen. Stattdessen folgt seitenweise wenig mehr als die Verschriftlichung alter Comedynummern. „Mikropilze“, „Kryoniker“, „Arbeit in Brunei“– alles bekannt. Aber wie heißt es in Jürgens Ratgebern: „Immer dranbleiben, immer bohren, immer sägen, bis die Kiste fliegt.“
Heinz Strunk: Jür gen. Rowohlt, 256 S., 19,95 ¤