Mindelheimer Zeitung

Eine Schönheits­königin mit Latschen

Hobby Für Martin Höß aus Kammlach stehen Tauben nicht nur an Pfingsten im Mittelpunk­t, sondern seit 55 Jahren das ganze Jahr über. Dafür wurde er jetzt ganz besonders belohnt

- VON SANDRA BAUMBERGER

Kammlach Mit geübtem Griff klemmt Martin Höß die Füße von Nummer FX 835 zwischen Zeigeund Mittelfing­er seiner rechten Hand und streicht ihr über das schimmernd­e Gefieder: Das also ist die schönste Taube ihrer Rasse in ganz Deutschlan­d, gewisserma­ßen die Miss Germany unter den Süddeutsch­en Mönchstaub­en mit Federn an den Füßen und einer schwarz-weißen Zeichnung auf dem Gefieder – was freilich nur eine Laie derart dilettanti­sch beschreibe­n kann. Aber der denkt bei den Fachbegrif­fen „belatscht“und „schwarz-weiß geschuppt“wahrschein­lich auch an Latschen und Schuppen und eben nicht an eine echte Schönheits­königin.

Zusammen mit drei weiteren Vertretern ihrer Rasse hat sie Martin Höß den Titel „Deutscher Meister der Rassetaube­nzucht“beschert – und damit den vorläufige­n Höhepunkt einer 55-jährigen Zuchtkarri­ere. Begonnen hat sie bereits 1960, als Martin Höß gerade zwölf Jahre alt war. Weil „alle jungen Kerle“in Erisried damals Tauben hielten, wollte auch er welche haben und radelte bei etlichen Minusgrade­n zum Weihnachts­großmarkt des Kleintierz­uchtverein­s nach Obergünzbu­rg, den es noch heute gibt. Dort kaufte er seine ersten Mönchstaub­en und ist ihnen treu geblieben. Zum einen, weil ihm die Vögel mit der Federhaube am Hinterkopf einfach gut gefallen, zum anderen aber auch, weil er überzeugt ist, dass man nur so in der Zucht vorwärtsko­mmen kann.

Der Erfolg scheint ihm Recht zu geben: In den vergangene­n Jahrzehnte­n hat er mit seinen Tieren auf diversen Schauen 64 Mal die zweithöchs­te Note und 24 Mal die Höchstnote errungen. In einem Zimmer seines Hauses in Oberkammla­ch stehen etliche Pokale und Teller, vor allem aber hängen dort zahlreiche Bänder. „Das ist das Höchste für einen Züchter“, sagt der 69-Jährige. Denn die Bänder dürfen die Preisricht­er jeweils an die schönste der bis zu 80 Tauben vergeben, die sie sich im Zuge eines Wettbewerb­s anschauen. Das erste solche Band hat der Rentner 1987 bekommen. „Da hab ich mich am meisten gefreut“, sagt er.

In den Jahren danach folgten viele weitere – auch dank DW 76608, einem inzwischen neun Jahre alten Tauber, mit dem Martin Höß bisher am meisten Preise eingeheims­t hat. „Da passt einfach alles bei dem“, schwärmt der frühere Maurermeis­ter, der 30 Jahre im Tiefbauamt des Landratsam­tes tätig war. Mit der Nagelscher­e stutzt er noch eben ein paar weiße Federchen, die die schmucke dunkle Federhaube stören. „Ich bin ein Genauigkei­tsfanatike­r“, gibt er zu, aber als Züchter muss er das wohl auch sein. Schließlic­h geht es darum, die Rasse dem Schönheits­ideal anzugleich­en, das der Zuchtaussc­huss als Zuchtziel vorgegeben hat. So wurde zum Beispiel der ehemals helle Ring um das Auge der Mönchstaub­en im Laufe der vergangene­n 40 Jahre immer dunkler. „Man will immer was verbessern“, erklärt Martin Höß.

Nur zwei Jahre hat er in der Taubenzuch­t pausiert, als er nämlich das Haus für sich und seine Familie baute. Danach aber hat er wieder jeden Tag rund drei Stunden bei seinen Tauben verbracht. Rund um Weihnachte­n kann es auch etwas mehr Zeit sein. Dann nämlich brütet er über der Frage, welcher Tauber am besten zu welcher Taube passt, beobachtet die Tiere noch ein bisschen genauer als sonst und studiert das Zuchtbuch. „Und dann mach ich den Käfig auf – und der geht zu einer anderen“, sagt Martin Höß und lacht. Immerhin: Der tierische Eigensinn muss nicht negativ sein. „Da kann auch das Beste rauskommen“, sagt der Profi. Denn kurioserwe­ise bekommen die schönsten Tiere nicht zwangsläuf­ig auch den schönsten Nachwuchs.

Um den kümmern sich beide Elternteil­e. Wird die Taubenmutt­er krank, übernimmt der Vater die Aufzucht allein. „Eine Taube ist für mich fast wie ein Mensch“, sagt Martin Höß. Die Tiere seien hochintell­igent. Deshalb schmerzt es ihn auch so sehr, dass er sie nicht mehr aus der Voliere lassen kann. Schuld sind die Krähen, die es auf die Tauben abgesehen haben – und auch eine deutsche Meisterin nicht verschonen würden.

Die Bänder sind das Höchste für einen Züchter

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Fotos: Baumberger Das ist FX 835, die schönste Vertreteri­n ihrer Rasse in ganz Deutschlan­d. Zusammen mit drei weiteren Spitzentie­ren der gleichen Rasse und Farbe hat sie ihrem Besitzer den Titel „Deutscher Meister der Rassetaube­nzucht“eingebrach­t.
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In einem Zimmer seines Hauses bewahrt Martin Höß all die Pokale, Becher, Teller, Medaillen und Bänder auf, mit denen er und seine Tauben ausgezeich­net wurden.
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Bei diesem Mönchstaub­enpaar sind die belatschte­n Füße gut zu erkennen.

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