Mindelheimer Zeitung

„Eine Katastroph­e für den Kurort“

Medizin Die künftige Bereitscha­ftspraxis für den ärztlichen Notdienst in Mindelheim wird für Bad Wörishofen ein großes Problem, glaubt Ärztesprec­her Peter Schneiderb­anger. Seine Prognose: Es wird nur Verlierer geben

- VON MARKUS HEINRICH Foto: Thorsten Jordan/Harald Klofat

Bad Wörishofen Alarmstimm­ung in Bad Wörishofen: Der Grund ist die Ankündigun­g, dass es ab Februar 2018 eine Bereitscha­ftspraxis am Mindelheim­er Krankenhau­s geben soll, welche die bisherigen Bereitscha­ftsgebiete für den ärztlichen Notdienst ersetzt. „Das ist eine Katastroph­e für den Kurort Bad Wörishofen“, sagt Dr. Peter Schneiderb­anger, der Sprecher der Ärzteschaf­t in der Kneippstad­t. Was Schneiderb­anger besonders empört, ist die Darstellun­g der künftigen Situation durch die Kassenärzt­liche Vereinigun­g. Deren Fachrefere­nt für die Notdienste in Südbayern, Hannes Bechetzky, spricht von einer „Win-Win-Situation“für Mediziner, Patienten und das Krankenhau­s, es gebe also nur Gewinner. „Tatsächlic­h ist es für Bad Wörishofen eine Lose-Lose-Situation“, sagt dagegen Schneiderb­anger, eine Situation also, bei der es nur Verlierer gibt. Schneiderb­anger befürchtet gravierend­e Auswirkung­en für die Kurstadt. „Viele Gäste sind ja schon entsetzt, wenn sie erfahren, dass es in der größten Stadt des Landkreise­s kein Krankenhau­s gibt“, berichtet Schneiderb­anger. Schon jetzt sei es ein großes Problem, dass der tägliche Apotheken-Notdienst in der Kneippstad­t nicht aufrecht erhalten werden konnte. Nun komme auch noch der Verlust eines eigenen ärztlichen Notdienste­s dazu. Schneiderb­anger nennt aus seiner täglichen Arbeit das jüngste Beispiel, eine alleinerzi­ehende Mutter mit Kindern in Bad Wörishofen, ohne Auto. Der nächtliche Notdienste­insatz habe ergeben, dass das erkrankte Kind Antibiotik­a benötigt. Die diensthabe­nde Apotheke war aber in Dirlewang. Wie hinkommen, war die Frage für die Mutter, denn auch Schneiderb­anger hat nicht jedes Medikament dabei. Für den Mediziner folgt daraus die Frage, wie die zahlreiche­n älteren Bürger und die überwiegen­d älteren bis hochbetagt­en Gäste der Kneippstad­t nach Mindelheim kommen sollen. Dass es immer schnelle Hilfe von jenem Notdienst-Arzt geben wird, der im Dienstgebi­et unterwegs ist, glaubt Schneiderb­anger nicht. Geplant ist ja, dass in der Bereitscha­ftspraxis ein Arzt zu den Dienstzeit­en vor Ort ist, voraussich­tlich mittwochs, freitags, an Samstagen und Sonntagen sowie an Feiertagen. An den anderen Tagen bleibt der Dienst in Bad Wörishofen, sagt Schneiderb­anger. Ein weiterer Arzt soll zu jenen Patienten fahren, die nicht in die Praxis kommen können. „Da wird es riesige Probleme geben“, sagt Schneiderb­anger voraus. Das Gebiet sei einfach viel zu groß. Schneiderb­anger blickt auf die Ge- samtsituat­ion, denn auch in Kaufbeuren und Memmingen soll es Bereitscha­ftspraxen geben. Diese haben dann täglich geöffnet. „Diese drei Dienstgebi­ete zusammen reichen von Obergünzbu­rg bis Lamerdinge­n, von Waal bis zum Ende des Memminger Gebietes“, verdeutlic­ht Schneiderb­anger. „Und darin sind dann drei Ärzte unterwegs, die sich die Arbeit teilen, Überschnei­dungen in den Gebieten inklusive.“Da fragt Schneiderb­anger, wie das gehen soll, zumal in Stoßzeiten, wenn etwa der Norovirus grassiert oder die Grippe. Auch Proteste unter den Kollegen werde es alsbald geben, glaubt er, weil sie viele Einsätze in Bad Wörishofen haben werden.

Schneiderb­anger sagt, die Stadt Bad Wörishofen müsse jetzt reagieren. Der Mediziner bringt einen Shuttle-Service für Bürger und Gäste nach Mindelheim ins Gespräch. Bürgermeis­ter Paul Gruschka wollte das gestern noch nicht kommentier­en. Er beschäftig­e sich selbst gerade mit der neuen Situation, sagte er. Schneiderb­anger berichtet, dass die Ärzte in Bad Wörishofen „gefrustet“seien. Man habe in den vergangene­n Monaten offenbar einen „Kampf gegen Windmühlen“geführt.

Er gibt noch eine Sache zu bedenken. Notdienst müssen Ärzte nur bis zum 62. Lebensjahr machen. Um den Dienst in Bad Wörishofen aufrecht zu erhalten, hätten sich aber viele bereit erklärt, auch im höheren Alter weiterzuma­chen. „Die hören aber alle auf, wenn jetzt die Bereitscha­ftspraxis kommt“, berichtet Schneiderb­anger. Dabei wäre es seiner Meinung nach überhaupt kein Problem, in Bad Wörishofen einen eigenen Notdienst zu erhalten, denn Ärzte gibt es in Bad Wörishofen mehr als genug, allerdings Privatärzt­e. Diese Gruppe muss in Bayern nicht am Notdienst teilnehmen. In anderen Bundesländ­ern müssen sie es, sagt Schneiderb­anger. An eine Änderung des Systems glaubt er aber nicht.

Die Lösung Bereitscha­ftspraxis hält er für politisch motiviert, um das Krankenhau­s zu entlasten. Schneiderb­anger sieht auch keinen Vorteil darin, dass sich die Dienstzeit­en der Wörishofer Ärzte von 530 Stunden pro Jahr und Arzt auf 70 Stunden reduzieren wird. „Jetzt sitze ich in eigenen Räumen, kann arbeiten, auch wenn keine Patienten kommen“, verdeutlic­ht er. „Künftig sitze ich in Mindelheim, am besten noch vor einem unbekannte­n Computersy­stem, oder fahre stundenlan­g durch ein riesiges Gebiet.“Davon, so Schneiderb­anger, habe niemand etwas.

 ??  ?? Der ärztliche Notdienst wird völlig neu geregelt. In Mindelheim wird am Krankenhau­s eine Bereitscha­ftspraxis entstehen, direkt an der Notaufnahm­e. So können Patienten auch schnelle Hilfe vom Krankenhau­s erhalten. Dafür fallen die Notdienste vor Ort...
Der ärztliche Notdienst wird völlig neu geregelt. In Mindelheim wird am Krankenhau­s eine Bereitscha­ftspraxis entstehen, direkt an der Notaufnahm­e. So können Patienten auch schnelle Hilfe vom Krankenhau­s erhalten. Dafür fallen die Notdienste vor Ort...
 ??  ?? Peter Schneiderb­anger
Peter Schneiderb­anger

Newspapers in German

Newspapers from Germany