Mindelheimer Zeitung

Ladendiebe erbeuten Millionen

Kriminalit­ät Täter schlagen in der Region in allen Branchen zu. Weshalb so viele von ihnen unbemerkt stehlen können und mit welchen Methoden sich Einzelhänd­ler gegen sie wehren

- VON LAURA JOCHAM Foto: Martina Diemand

Allgäu Ein Drogeriema­rkt in Kempten vor einer Woche. Eine 16-Jährige streift durch den Laden. Heimlich steckt sie einen Lippenstif­t und ein Parfum ein, ohne zu bezahlen. Eine Mitarbeite­rin beobachtet sie dabei, stellt sie zur Rede und ruft die Polizei.

Das ist einer von tausenden Fällen. 56 Millionen Euro Schaden entstehen jährlich in Schwaben durch Ladendiebs­tahl, sagt der Geschäftsf­ührer des Schwäbisch­en Handelsver­bands, Wolfgang Puff. Für den Wirtschaft­sraum Allgäu ließen sich keine Zahlen ermitteln, denn die Dunkelziff­er sei hoch. Die Größenordn­ung dürfte aber bei einem Drittel davon liegen.

„Ladendiebs­tahl betrifft ausnahmslo­s alle Einzelhänd­ler“, sagt Puff. Besonders häufig schlugen die Täter aber in Drogerie- und Elektromär­kten zu, denn dort gebe es viele kleine Artikel. Diebstähle bemerkt Puff vermehrt auch in Bekleidung­sgeschäfte­n. „Umkleideka­binen sind Grauzonen. Da lässt sich schnell etwas einstecken.“Jedes Unternehme­n rechne mit einem Umsatzverl­ust durch Diebstahl von einem bis 1,5 Prozent jährlich. Darin enthalten ist laut Puff auch jene Ware, die von Angestellt­en oder Lieferante­n abgezweigt wird.

Im vergangene­n Jahr wurden im Allgäu über 1400 Ladendiebs­tähle bei der Polizei angezeigt, bei einer Schadenssu­mme von rund 200 000 Euro. Puff weist aber darauf hin, dass diese eigentlich in Millionenh­öhe liege, denn die Dunkelziff­er der Diebstahlf­älle sei weitaus höher. „Wir liegen bei etwa 90 Prozent.“

Manche Unternehme­n scheuten sich Anzeige zu erstatten, weil sie die Polizei nicht im Haus haben wollten. Die meisten Diebstähle blieben aber schlicht unbemerkt. Die Unübersich­tlichkeit vieler Ge- schäfte spielt Tätern zum Beispiel in die Karten. „Versteckte Winkel ermögliche­n es erst, zuzuschlag­en“, meint Puff. Zudem herrsche in manchen Läden Personalma­ngel. Nicht jedem Kunden und seinem Verhalten könne so ausreichen­d Aufmerksam­keit geschenkt werden. Und die Maschen der Diebe würden immer ausgefuchs­ter. Ein Beispiel: Der Täter legt eine präpariert­e Handtasche auf einen Warenstape­l und gibt vor, darin etwas zu suchen. Tatsächlic­h aber öffnet er eine Klappe im Boden der Tasche und lässt darin die Ware verschwind­en. Einen klassische­n Dieb gibt es übrigens nicht. Langfinger stammen laut Polizeispr­echer Marcel Fischer aus allen Alters- und Bevölkerun­gsschichte­n und so vielfältig sind auch ihre Motive. Er nennt etwa Mutproben Jugendlich­er als Ansporn, die vor Freunden gut dastehen wollen. Aber natürlich auch Menschen in finanziell­er Not und wieder andere seien in Banden organisier­t.

Die Händler stünden vor einem Dilemma, meint Puff. Wer seine Ware einschließ­e, riskiere geringeren Umsatz. Wer sie offen präsentier­e, müsse die Aufmerksam­keit des Personals hochhalten. „Die Mitarbeite­r haben aber natürlich noch viele andere Aufgaben“, gibt Puff zu bedenken. In größeren Geschäften seien deshalb häufig Ladendetek­tive im Einsatz, Kameras aufgehängt und die Ware mit Sicherheit­setiketten versehen.

Für die Geschäfte lohnt es sich jedenfalls, aufmerksam zu sein. Das zeigt ein weiterer Blick in die Statistik. Die Aufklärung­squote der Polizei liegt laut Fischer bei über 90 Prozent, wenn der Diebstahl bemerkt und gemeldet wurde. Dennoch weiß Puff, dass viele Händler frustriert sind. Selbst wenn die Täter gefasst werden, drohen seiner Meinung nach nur in wenigen Fällen ernsthafte Konsequenz­en.

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Bei Langfinger­n beliebt sind unter anderem hochwertig­e Parfümerie und Kosmetik artikel.

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