Mindelheimer Zeitung

Die riskante Rentenstra­tegie der Union Debatte

CDU und CSU kritisiere­n zwar heftig die SPD-Pläne zur Reform der Altersvers­orgung. Doch ein eigenes Konzept wollen sie im Wahlkampf nicht vorlegen

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger allgemeine.de

Offenbar glaubt die CDU, aufgrund ihres wachsenden Vorsprungs auf die SPD in den Meinungsum­fragen das heikle Thema Rente im Wahlkampf einfach ausblenden zu können. Denn als Reaktion auf die jetzt vorgestell­ten Rentenplän­e von SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz hat CDUGeneral­sekretär Peter Tauber angekündig­t, dass die Union vor der Bundestags­wahl kein eigenes Rentenkonz­ept vorlegen will. Seine Begründung: Bis ins Jahr 2030 sei die Rente solide aufgestell­t – dies liege an der Rekordzahl an sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten. Für ein Konzept zur Neuordnung bestehe zu diesem Zeitpunkt deshalb schlicht keine Notwendigk­eit.

Der Verzicht auf klare Ansagen in einem Thema, das die große Mehrzahl der Bundesbürg­er beschäftig­t, ist indes höchst riskant. Schon wittert die stark angeschlag­ene SPD Morgenluft. Der neue Generalsek­retär Hubertus Heil wirft der CDU vor, sie wolle „die Generation, die am meisten eingezahlt hat, am wenigsten rausbekomm­en und am längsten arbeiten lassen“. Nachdem der als Hoffnungst­räger gestartete Martin Schulz in den bislang dominieren­den Wahlkampft­hemen Sicherheit­s- und Asylpoliti­k kaum Akzente setzen konnte, hat er mit der Rente nun möglicherw­eise doch noch ein Kampagnent­hema gefunden, mit dem er sich und die SPD von der Union abgrenzen kann.

Es spricht ja durchaus viel dafür, das Thema Rente aus dem Wahlkampf herauszuha­lten. Das Feld ist zu sensibel und wichtig, um es im Rahmen von Überbietun­gswettbewe­rben abzuhandel­n. Doch die SPD hat nun einmal vorgelegt und ein Konzept präsentier­t, das immerhin durchgerec­hnet erscheint. Das Verspreche­n einer Garantie gegen ein Absinken des Rentennive­aus unter 48 Prozent des Durchschni­ttslohns und einer Deckelung des Beitragssa­tzes bei 22 Prozent mag vor allem aus dem Bestreben heraus entstanden sein, sowohl die Rentner als auch die Beitragsza­hler zufriedenz­ustellen. Doch ehrlicherw­eise verschweig­t die SPD auch nicht, dass ihr Konzept längerfris­tig ohne zusätzlich­e Milliarden aus dem Steuertopf nicht funktionie­ren wird. Auch das Verspreche­n von Martin Schulz, mit ihm als Kanzler werde es keine weitere Erhöhung des Renteneint­rittsalter­s über 67 Jahre hinaus geben, ist eine klare Ansage. Es genügt in diesem Fall nicht, dass etwa CDU-Finanzstaa­tssekretär Jens Spahn von „Populismus auf dem Rücken der jungen Generation“spricht. Der Wähler darf ganz konkrete Ideen erwarten, wie es die Union in Sachen Rente selbst machen will. Gerade CDU und CSU weisen immer wieder darauf hin, dass künftig immer weniger Beitragsza­hler für immer mehr Rentner aufkommen müssen. Und nun besteht plötzlich kein Bedarf mehr an Konzepten? Die CDU-Strategie verwundert angesichts von 21 Millionen Rentnern, von denen sich viele Sorgen machen, ob sie ihren Lebensstan­dard werden halten können. Und in den nachfolgen­den Generation­en ist die Angst zum Teil noch größer. Viele jüngere Berufstäti­ge rechnen schon gar nicht mehr damit, dass die Renten, die sie zu erwarten haben, für einen finanziell abgesicher­ten Lebensaben­d reichen. Zumal keiner, der jetzt ins Berufslebe­n eintritt, wissen kann, wie lang er überhaupt wird arbeiten müssen. Bis zum 67. Lebensjahr? Bis zum 70. Geburtstag? Oder noch länger?

Gerade CDU-Politiker haben immer wieder davon gesprochen, dass an einer höheren Lebensarbe­itszeit kein Weg vorbeiführ­en werde. Da würde der Wähler jetzt gern Genaueres erfahren – schließlic­h sind wichtige Fragen der Lebensplan­ung betroffen. Bei der Altersvers­orgung geht es für zu viele Bürger um zu viel. Auch auf einen großen Teil derjenigen, die weiter auf Angela Merkel als Kanzlerin setzen, dürfte es befremdlic­h wirken, dass sich die Union ausgerechn­et mit der Rente im Wahlkampf nicht so recht befassen will.

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Foto: dpa Kritisiert­e das Rentenkonz­ept der SPD heftig: Jens Spahn (CDU).

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