Mindelheimer Zeitung

Macron hofft auf den zweiten Streich

Frankreich Bei den Parlaments­wahlen könnte die Partei des Präsidente­n die absolute Mehrheit in der Nationalve­rsammlung erhalten. Morgen geht es in die erste Runde

- VON BIRGIT HOLZER Foto: Kovarik, afp

Paris Der französisc­he Präsident Emmanuel Macron schwimmt derzeit auf einer Welle der Euphorie. Dazu passt der Name seiner jungen Partei: „La République en marche“, kurz REM – zu deutsch: „Die Republik auf dem Vormarsch“.

Bei den Parlaments­wahlen an diesem und dem darauffolg­enden Sonntag könnte sie allen Umfragen zufolge siegen, womöglich sogar eine absolute Mehrheit in der Nationalve­rsammlung erringen: Zwischen 350 und 380 der insgesamt 577 Sitze halten Wahlforsch­er für wahrschein­lich. Eine derartige Machtbasis würde Macron eine große Freiheit geben, sein Reformprog­ramm umzusetzen und die von ihm versproche­ne Erneuerung des politische­n Personals voranzutre­iben. Denn ein großer Teil der REMKandida­ten sind Politik-Novizen und arbeiteten bisher in anderen Bereichen – das ist beispiello­s in Frankreich, wo Politikerk­arrieren meist früh beginnen und Jahrzehnte andauern. Doch bisherige Gewissheit­en gelten nicht mehr viel, seit ein 39-jähriger Senkrechts­tarter, der sich selbst nie zuvor einer Wahl gestellt hatte, vor einem Monat Präsident wurde.

Auch scheint jene alte Regel ausgeschal­tet, dass erfahrene und gut vernetzte Kandidaten ihre Schäfchen zuverlässi­g ins Trockene bringen. Oder dass sie zumindest vor dem Votum noch einen erzwungene­n Optimismus zur Schau tragen.

Vor allem die Sozialiste­n erwarten nichts weniger als die Apokalypse – und räumen das recht ungeschmin­kt ein. „Es kann für uns ein Debakel mit einer historisch­en Niederlage der Linken geben“, prognostiz­iert der Sozialiste­nchef JeanChrist­ophe Cambadélis. Er selbst, der seit rund 20 Jahren seinen Wahlbezirk im Nordosten von Paris, einer Bastion der Linken, verteidigt hat, droht diesen zu verlieren – und zwar an den 33-jährigen Mounir Mahjoubi, der für die Präsidente­npartei antritt und als jüngstes Kabinettsm­itglied Staatssekr­etär für digitale Wirtschaft ist. Sollte Mahjoubi scheitern, muss er allerdings die Regierung verlassen.

Nicht ganz so pessimisti­sch wie die Sozialiste­n geht die radikale Linken ins Rennen. Dennoch dürfte die Partei „Das widerspens­tige Frankreich“dem Meinungsfo­rschungsin­stitut Fondapol zufolge nur 15 bis 25 Sitze gewinnen, die Sozialiste­n 20 bis 35 (bisher waren es 292!), die Republikan­er wären demnach mit 133 bis 153 (bisher 199) immerhin noch die größte Opposition­skraft. Allerdings sind auch die Konservati­ven geschwächt, zumal mit Premier Édouard Philippe oder Wirtschaft­sminister Bruno Le Maire einige der ihren an der Regierung beteiligt sind. Der Front National, der bislang nur zwei Abgeordnet­e stellte, kann wohl mit neun bis 16 Sitzen rechnen – ab 15 Abgeordnet­en ist die Bildung einer eigenen Parlamenta­riergruppe möglich. Parteichef­in Marine Le Pen hat immerhin gute Chancen, in ihrer nordfranzö­sischen Hochburg Hénin-Beaumont ein Mandat zu gewinnen.

Das französisc­he Wahlsystem macht es für kleinere Parteien schwierig, Abgeordnet­enmandate zu erringen. Die Franzosen wählen in 577 Wahlkreise­n jeweils einen Abgeordnet­en. Ähnlich wie in Großbritan­nien gilt dabei das Prinzip „Der Sieger nimmt alles“, die

Newspapers in German

Newspapers from Germany