Streit um Film
„Der Hass auf Juden in Europa“Die Kritik nahm zuletzt täglich zu. Charlotte Knobloch (im Bild) etwa schrieb einen Brief an die Chefs von
Arte, SWR und WDR. Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern bat sie „inständig“, die Doku „Auserwählt und Ausgegrenzt – der Hass auf Juden in Europa“zu senden. Es kommt selten vor, dass derart intensiv über einen Film diskutiert wird, der nicht gezeigt werden soll.
Gemutmaßt wurde, ob er den Sendern zu israelfreundlich sei. Laut
taz vom 11. Juni hat der Film unter anderem die „Beschreibung massiver europäischer Finanzhilfen für israelfeindliche NGOs“, also Nichtregierungsorganisationen, zum Inhalt. Ihnen werde vorgeworfen, antiisraelische Propaganda zu betreiben. Arte begründete die Ablehnung von Ende Januar damit, dass die Doku nicht dem angemeldeten und genehmigten Projekt entsprochen habe, weil sie sich „hauptsächlich auf den Nahen Osten“konzentriere. Der WDR äußerte „handwerkliche Bedenken“. Der Film enthalte „zahlreiche Ungenauigkeiten und Tatsachenbehauptungen“; es solle intensiv geprüft werden, ob er noch ausgestrahlt werden könne. Nicht nur Filmemacher Joachim Schröder wunderte sich über diese Kritik (und verwahrte sich dagegen), auch Journalisten taten es: Der WDR habe monatelang Zeit zum Prüfen gehabt. Sie vermuten vorgeschobene politische Gründe. Der Film – mit seiner klaren projüdischen Haltung – sei
den Sendern zu unausgewogen. Die Historiker Götz Aly oder Michael Wolffsohn kritisierten ebenfalls die Sender. Wolffsohn bezeichnete den Film als „die mit Abstand beste und klügste und historisch tiefste“Doku zum Thema. Und dann das: Bild.de zeigte sie ab Dienstag, 0 Uhr, 24 Stunden lang – obwohl es gar nicht die Erstausstrahlungsrechte besitzt. Der Kampf gegen Antisemitismus sei in Deutschland von „überragendem Interesse“, erklärte Julian Reichelt, Vorsitzender der Bild-Chefredaktionen.
Die Aktion führte dazu, dass jetzt jeder, der es möchte, über die FilmInhalte diskutieren kann. Nicht nur die wenigen, die sie bis dahin kannten. Der Film übrigens ist in der Tat stellenweise zu plakativ und handwerklich nicht ganz sauber. Diese Schwächen wären aber leicht zu korrigieren gewesen. Denn er ist auch und vor allem eine vielschichtige und tief schürfende Annäherung an das Thema Antisemitismus in Europa. Und damit wichtig.