Atemberaubend
Konzert Antonio Acunto beweist im Zedernsaal große Virtuosität – leider vor kleinem Publikum
Kirchheim Regelmäßig empfängt er Angela Merkel für Privatkonzerte in seinem Haus, 2011 hat er die Nobelpreisträgerin Herta Müller bei ihrer Lesung im Deutschen Bundestag begleitet: Der aus Ischia stammende Pianist Antonio Acunto. Jetzt war er zu Gast im Zedernsaal im Kirchheimer Schloss. Acunto, der unter anderem am Mozarteum in Salzburg studiert hat, begeisterte vom ersten Ton an. Sein Programm umfasste Werke von Chopin, Rachmaninov und Schuman, den Anfang machte die „Ballade op. 23 in g-Moll“von Chopin, ein kraftvolles Stück mit wehmütigen Momenten, Bitterkeit und dann wieder einer Energie der Auflehnung.
Roman Polanski hat dieses Stück für seinen Film „Der Pianist“gewählt in einem nervenzerreißenden Moment – der Pianist rettet im Film mit dem virtuosen Vortrag sein Leben. Wer das einmal gehört hat, kann es nicht vergessen.
Acunto musste zwar nicht um sein Leben spielen, seine virtuose Energie allerdings hatte gleichwohl etwas Essentielles. Entsprechend groß war der Zwischenapplaus. Es folgten zwei Stücke aus dem Klavierzyklus „10 Prelúdes op. 23“von Rachmaninov, zunächst das wunderschön sehnsuchtsvolle vierte Stück in diesem Zyklus in D-Dur. Acunto, der virtuos die schnellen und atemberaubenden Läufe des Chopin präsentiert hatte, zeigte sich nun als Meister der leisen Töne.
Ohnehin fiel sein gefühlvoller Anschlag vom ersten Augenblick an auf, doch in diesem Prelúdes Rachmaninovs wurde das am deutlichsten, zart und dabei unheimlich fes- selnd. Es folgte das zweite Prelúdes aus jenem Klavierzyklus, eines der rasantesten Klavierstücke überhaupt. Acuntos Körperhaltung verriet indessen nur selten, mit welch bahnbrechendem Tempo er gerade über die Tasten jagte. Das war ungeheuer beeindruckend, wie mühelos das Gefühl, aber auch die ganze Kraft und das Tempo nahezu ausschließlich aus den Armen kam, wo manche Pianisten-Kollegen schon beinahe auf ihren Hockern „tanzen“.
Den Abschluss der ersten Konzerthälfte sollte eigentlich das „Scherzo op. 31 b-moll“von Chopin machen, doch als die anwesenden Gäste Acunto stürmisch feierten, entschied der Künstler kurzerhand, direkt mit Schumann fortzufahren. Was zunächst wie eine Zugabe anmutete, entpuppte sich bald schon als zweite Konzerthälfte. Das war vielleicht nicht ganz glücklich, nach den Prelúdes von Rachmaninoff und den beiden wahrlich zelebrierten Chopins hätte dem Publikum eine Pause gewiss gut getan, nichts destotrotz brillierte Acunto freilich auch bei Schumann; den krönenden Abschluss machte der „Marche des Davidsbündler contre les Philistins“.
Man kann sagen: Kunst ist auch, wenn kaum einer kommt, allerdings bleibt natürlich die Sorge, dass sich solch großartigen Künstler irgendwann nicht mehr nach Kirchheim verirren, denn leider fanden auch an diesem sommerlichen Juniabend nur wenige Musikinteressierte den Weg in das Schloss in Kirchheim. Dabei ist natürlich jeder mitverantwortlich, dass der Zedernsaal das bleiben darf, was er eigentlich ist: ein außergewöhnlicher Ort für außergewöhnliche Musik.