Nur der Teufelscanyon bleibt unbezwungen
Der Allgäuer Mario Stecher paddelt auf dem längsten Fluss Montenegros und durch die größte Schlucht Europas
Allgäu Wilde Natur pur. Saftige Wälder, menschenverlassene Schluchten, kochendes Wildwasser. All das hatte sich Extremsportler Mario Stecher von der Tour durch den Tara Canyon in Montenegro im Vorfeld erwartet – und wurde auch nicht enttäuscht. Doch dann das: Mitten in der Naturidylle hing an vielen Sträuchern und Ästen Plastikmüll. „An einer Stelle haben wir sogar eine riesige Müllhalde direkt neben dem Fluss entdeckt“, erzählt der 34-jährige Kaufbeurer und ist immer noch entsetzt. Denn immerhin hat die Unesco dieses Gebiet zum Weltkulturerbe ernannt.
Gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Manuel und Valentin Illichman (18), einem Teamkollegen aus dem Münchner Raum, nahm das Trio an einem Projekt des französischen Kajak-Profis Nicolas Fayol, dem ehemaligen französischen Weltklasse-Kajak-Fahrer Stephan Pion und deren Landsmann, dem Fotografen Gilles Reboison, teil. Schauplatz des Vorhabens: die Tara, der längste Fluss Montenegros, der auch den größten und tiefsten Canyon Europas durchzieht. Die Herausforderung – und das ist bekanntlich Stechers Spezialität: Die Schlucht als Erste mit dem SUP (Stand Up Paddling) zu befahren und gleichzeitig den reißenden Strom zu bezwingen. Das bedeutet: Die Sportler stehen auf einer großen Art von Surfbrett und bewegen sich mithilfe eines Paddels auf dem Wasser fort. In vier statt den angepeilten fünf Tagen meisterte der Tross das Vorhaben. Die Eindrücke wirken bei Stecher auch einige Wochen später noch nach. Gerade die vermüllte Natur zeigte ihm: So unberührt wie gedacht ist die dortige Landschaft eben doch nicht. Vielmehr gibt es vor Ort offensichtlich deutliche Probleme mit dem Umweltschutz.
Doch freilich wollte sich der Allgäuer auch sportlich weiter entwickeln und kam dabei voll auf seine Kosten – „vor allem, weil wir mit den Kollegen aus Frankreich echte Profis an unserer Seite hatten“, schwärmt der 34-Jährige. Im Laufe der Tour wurde das Wildwasser immer sportlicher – am Ende des zweiten Tages dann sogar zu extrem: Den berüchtigten Teufelscanyon, in dem mehrere brandgefährliche Stellen warteten, ließen sie aus. In manchen Momenten wurde der Trip auch in anderer Hinsicht zum echten Abenteuer: Einer der Franzosen entdeckte eine Viper unter seiner Isomatte, während er darauf lag. „Dummerweise hatten wir auch noch das Gegengift im Camp vergessen“, sagt Stecher. Doch die Gruppe hatte Glück: Alle blieben ohne Schlangenbiss. Auch sportlich wurde das Team auf die Probe gestellt: Eine Schlüsselstelle mit wuchtigem Wildwasser und tückischen Hindernissen bezeichnet Stecher als „härtesten Abschnitt“, den er fast meisterte: Erst am Schluss stürzte er. Doch während des gesamten Trips sei das Fahrsystem auch ein ganz anderes gewesen als üblich: Immerhin führte jeder auf seinem Board 30 Kilo schweres Gepäck mit sich. „Es war die größte Herausforderung, der wir uns im Wildwasser bislang gestellt hatten. Damit haben wir ein neues Limit gesetzt“, resümiert Stecher. Zudem sei es die landschaftlich schönste Unternehmung gewesen, die er je gemacht habe.
Ihr Abenteuer wollen die Kaufbeurer Zwillingsbrüder, Illichman und ihre französischen Sportkollegen auch mit einem Film publik machen. Wann und wo er zu sehen sein wird, ist noch unklar. Dabei geht es ihnen nicht nur darum, ihre Passion für das Stehpaddeln zu vermitteln. Sie verknüpfen mit den bewegten Bildern auch eine Botschaft, erläutert Mario Stecher: Sie wollen dazu aufrufen, die unberührte Wildnis zu bewahren. Dabei hat die Gruppe nicht nur die vermüllten Pflanzen entlang der Tara nachhaltig geprägt. „In den nächsten Jahren sind in dem Gebiet 2000 Staudämme geplant. Das hat dann nichts mehr mit ursprünglicher Natur zu tun“, mahnt Mario Stecher. Doch genau nach dieser sucht der Kaufbeurer immer wieder – und will deshalb auch den Tara Canyon vor weiteren Eingriffen bewahren.