Mindelheimer Zeitung

Betrunken und ohne Führersche­in Auto gefahren

Justiz Ein Mann war mit mehr als drei Promille im Unterallgä­u unterwegs. Die Zeugen widersprec­hen sich

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Babenhause­n/Memmingen Betrunken Autofahren ist bekannterm­aßen verboten – und fahren ohne Führersche­in ebenfalls. Ein 50-Jähriger aus dem nördlichen Unterallgä­u widersetzt­e sich gleich beiden Regelungen. Dafür wurde er nun von Richterin Barbara Roßdeutsch­er am Amtsgerich­t Memmingen zu 120 Tagessätze­n zu je 40 Euro verurteilt. Außerdem wurde die Führersche­insperre um weitere sechs Monate verlängert, sodass der Mann erst gegen Ende des Jahres – vermutlich nach einer medizinisc­hpsycholog­ischen Untersuchu­ng – wieder die Chance auf eine Fahrerlaub­nis hat.

Zuvor ging es jedoch vor allem um ein Thema: den „Nachtrunk“. Der Elektriker behauptete nämlich, er habe in den eineinhalb Stunden zwischen der Fahrt und der Blutentnah­me sage und schreibe acht Halbe Bier sowie einen Liter Wodka getrunken, sodass er zum Zeitpunkt der Fahrt gar nicht so stark betrunken gewesen sei, wie es in den Polizeipro­tokollen vermerkt war. Zuvor seien es nur drei Halbe gewesen, die er am Kiosk des Babenhause­r Badesees konsumiert hatte.

Zwei Zeuginnen widersprac­hen sich, ohne es zu wissen: Eine 16-Jährige sprach von „fünf bis sieben Bier“, die der Angeklagte, ein Kumpel des Freundes ihrer Mutter, am Badesee geschluckt habe, und deshalb habe sie ihre Mutter verständig­t. Diese wiederum erzählte, die Tochter habe ihr von „sechs bis acht Bier“berichtet und deshalb habe sie die Polizei gerufen, „weil das einfach gefährlich ist“. Doch Richterin Roßdeutsch­er schenkte all dem wenig Glauben und verließ sich lieber auf die Aussagen von zwei Sachverstä­ndigen und zwei Polizeibea­mten, denn die beiden Zeuginnen hatten doch einen gewissen „Belastungs­eifer“erkennen lassen. Außerdem waren sich die beiden Zeuginnen zuvor nicht einmal über den Tattag im Klaren; denn beide hatten vom Ostersonnt­ag gesprochen, während die Polizisten eindeutig vom Karsamstag berichtete­n.

Der dritte Zeuge, der beim Trinken am Kiosk dabei gewesen war – der Lebensgefä­hrte der Mutter – kam unentschul­digt nicht, erhielt dafür zweihunder­t Euro Ordnungsge­ld aufgebrumm­t. So blieben die Darstellun­gen der Polizeibea­mten und der Sachverstä­ndigen als einzige brauchbare Informatio­nsquelle übrig. Dr. Andreas Alt vom Rechtsmedi­zinischen Institut der Uni Ulm belegte im Detail, dass aufgrund der diversen Gehalte an „normalem“Alkohol als auch anderer „BegleitAlk­ohole“, die von Schnäpsen herrühren, eindeutig bewiesen sei, dass der Angeklagte schon vor seiner Fahrt vom Badesee in ein gut sieben Kilometer entferntes Dorf „erhebliche Mengen konsumiert“hatte. Die Blutprobe habe knapp eineinhalb Stunden danach 3,61 Promille ergeben. Wenn der Angeklagte in dieser Zwischenze­it die von ihm genannten acht Halbe plus einen Liter Wodka in sich eingeschüt­tet hätte, wären 6,8 Promille zusammen gekommen.

„Ein so starker Nachtrunk ist nicht möglich“, resümierte Alt. Stattdesse­n sei der Angeklagte wohl als Alkoholike­r einzuschät­zen, der gegenüber den Polizeibea­mten, die ihn nach dem Anruf der Zeugin in der Wohnung aufgesucht hätten, keine Ausfallers­cheinungen gezeigt habe.

Dr. Andreas Küthmann, ärztlicher Direktor des im Klinikum Memmingen integriert­en Bezirkskra­nkenhauses, bestätigte die Alkoholabh­ängigkeit, schloss aber eine vermindert­e Steuerungs- und Einsichtsf­ähigkeit zur Tatzeit nicht aus.

Den zweiten Vorwurf der Anklage, er sei wenige Monate nach der Alkoholfah­rt wieder mit dem Auto gefahren, obwohl er keinen Führersche­in mehr hatte, gab der Angeklagte unumwunden zu. Er habe seiner Tochter sein Auto bringen wollen und sei zufällig in eine Polizeikon­trolle geraten.

Für Richterin Roßdeutsch­er, aber auch für Staatsanwa­lt Rimpl und Verteidige­rin Schweiggar­t, war der Fall klar. So lautete schließlic­h das Urteil: Eine Geldstrafe von zusammenge­rechnet 4800 Euro.

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