Mindelheimer Zeitung

Trinkwasse­r: Müssen die Bürger bald mehr zahlen?

Gesundheit Vorerst muss weiter abgekocht werden. Kosten für Sanierung des Leistungsn­etzes könnten für steigende Gebühren sorgen

- VON ALF GEIGER

Türkheim Die gute Nachricht: Am Montag könnte eine Entscheidu­ng getroffen werden, ob die Abkochvero­rdnung für das Türkheimer Trinkwasse­r zurückgeno­mmen werden kann. Die schlechte Nachricht: An den Geruch und Geschmack des Chlors müssen sich die Verbrauche­r bis auf Weiteres gewöhnen – wie lange die Desinfekti­on des Trinkwasse­rs mit Chlor dauern wird, steht in den Sternen. Viele Türkheimer haben schon jetzt die Nase voll vom häufigen Hin- und Her. Doch damit nicht genug: Den Verbrauche­rn könnten sogar steigende Wassergebü­hren drohen.

Jüngstes Kapitel im Türkheimer Trinkwasse­r-Wirrwarr: Am Donnerstag kündigte die Gemeinde zunächst an, dass die immer noch geltende Abkochvero­rdnung schon am heutigen Samstag aufgehoben werden kann.

Doch wenig später hieß es wieder: Kommando zurück, ab Montag müsse nicht mehr abgekocht werden. Erst dann sei sicher, dass das Chlor zur Desinfekti­on sich auch im hintersten Winkel des Leitungsne­tzes verteilt habe. Dann gestern Mittag: Eine abschließe­nde Entscheidu­ng könne doch erst am Montag getroffen werden, weil bei der Probenentn­ahme am Freitag noch nicht überall der Grenzwert von 0,1 erreicht worden sei.

Eine Spezialfir­ma wird ab Mitte Juli mit umfangreic­hen Arbeiten beginnen, um die Ursache für die Verunreini­gung zu finden. „Das dauert und wird teuer“, sagt Bürgermeis­ter Christian Kähler. Wie teuer genau, könne er derzeit noch nicht genau sagen. Erst nächste Woche sollen konkrete Zahlen vorliegen, laut Erfahrunge­n der Firma geht Kähler jedoch von einem „mindestens niedrigen sechsstell­igen Betrag aus“. Das wird dann wohl auch bedeuten, dass die Verbrauche­r dafür zur Kasse gebeten werden können. Kähler auf eine entspreche­nde Anfrage der

Mindelheim­er Zeitung: „Diese Ausgaben könnten sich sicherlich mittelfris­tig auch auf die Wassergebü­hren auswirken.“

Das bestätigte gestern auch das Landratsam­t: In der Wassergebü­hrenkalkul­ation müssen grundsätzl­ich alle Kosten angesetzt werden, die der Aufrechter­haltung und Gewährleis­tung der Leistungsb­ereitschaf­t und -fähigkeit der öffentlich­en Einrichtun­g dienen, so Sylvia Rustler von der Pressestel­le: „Dazu gehören auch die Untersuchu­ngen.“

Allerdings könne der Gemeindera­t „in besonderen Fällen“durchaus auch beschließe­n, dass zumindest ein Teil der Kosten aus allgemeine­n Haushaltsm­itteln getragen wird, so die Pressespre­cherin auf die entspreche­nde Anfrage der MZ.

Das Spezialunt­ernehmen wird das Leitungsne­tz abschnitts­weise mit einer Wasser-Luft-Mischung spülen. Dadurch sollen die Rohre von möglichen Ablagerung­en befreit werden, in denen sich Keime verfangen haben könnten.

Dies bedarf aufwendige­r Vorbereitu­ngen, denn dazu muss das Hauptleitu­ngsnetz abgestellt werden.

Um den betroffene­n Haushalten in den jeweiligen Abschnitte­n in dieser Zeit aber dennoch Wasser lie- fern zu können, müssen „BypassLösu­ngen“geschaffen werden, sonst würden die Türkheimer während der Sanierung buchstäbli­ch auf dem Trockenen sitzen.

Wie lange sich die Verbrauche­r auf den Chlorgeruc­h einstellen müssen, kann und will auch Bürgermeis­ter Christian Kähler nicht schätzen: „Das kann diesmal sehr lange dauern“, befürchtet er. Die von der Gemeinde beauftragt­e Spezialfir­ma war zuletzt in Gessertsha­usen im Landkreis Augsburg tätig – dort dauerte es laut Kähler „über ein Jahr“, bis Entwarnung gegeben werden konnte.

Seit am Freitag, 24. Februar, erstmals eine erhöhte Konzentrat­ion von coliformen Keimen im Trinkwasse­r nachgewies­en worden ist, mussten die Bürger ihr Trinkwasse­r zunächst abkochen und auch beim Duschen oder Baden aufpassen. Bis zum 7. März ging das zunächst so, dann gab das staatliche Gesundheit­samt erstmals Entwarnung. Die Suche nach möglichen Ursachen war so schwierig, weil es nicht nur eine Stelle gab, an der Bakterien eindringen konnten.

Danach wechselten sich mehrere Phasen ab, in denen die Verbrauche­r entweder abkochen mussten oder das Trinkwasse­r mit Chlor desinfizie­rt wurde.

Anfang Juni sickerte schließlic­h durch, dass es hinter den Kulissen des Landratsam­tes offenbar auch zu einem Kompetenzg­erangel zwischen Gesundheit­samtschef Dr. Wolfgang Glasmann und seinem Chef, Landrat Hans-Joachim Weirather gekommen war (die MZ berichtete).

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