Homosexuelle dürfen jetzt heiraten
Gesellschaft 393 von 623 Abgeordneten sagen Ja zur „Ehe für alle“, unter ihnen 75 von der Union. Schwulen und Lesben wird damit auch die Adoption erlaubt. Warum die Kanzlerin dagegen stimmte
Berlin Historische Stunde: Nach jahrzehntelangem Ringen hat der Bundestag Ja zur Ehe für Homosexuelle gesagt. Mit einer Mehrheit von SPD, Linken und Grünen sowie knapp einem Viertel der CDU/ CSU-Fraktion beschloss er am Freitag die völlige rechtliche Gleichstellung von Lesben und Schwulen.
Die Debatte war geprägt von Emotionen und Appellen, Kritik und Zweifeln. Am Ende standen Befürwortern wie Volker Beck (Grüne) Tränen in den Augen, während Gegner wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die traditionelle Ehe von Mann und Frau als Keimzelle des Staates beschworen. Einmütig setzten alle darauf, dass nun gesellschaftlicher Frieden und Zusammenhalt einkehre.
623 der insgesamt 630 Parlamentarier waren – zum Teil vom Krankenbett – zur Abstimmung gekommen. Insgesamt votierten 393 Parlamentarier mit Ja, darunter 75 Unions-Abgeordnete. 226 stimmten mit Nein, vier Abgeordnete (alle von der Union) enthielten sich. Von den 56 Mitgliedern der CSU-Landesgruppe stimmten sieben mit Ja. Un- den prominenten Befürwortern der Ehe für Homosexuelle waren die Bundesminister Peter Altmaier und Ursula von der Leyen sowie CDUGeneralsekretär Peter Tauber.
Bundeskanzlerin Merkel, die mit Äußerungen über eine Gewissensentscheidung bei diesem Thema den Stein am Montagabend überraschend selbst erst ins Rollen gebracht hatte, votierte mit Nein. „Für mich ist die Ehe im Grundgesetz die Ehe von Mann und Frau“, sagte sie, sprach sich aber dafür aus, dass Homosexuelle Kinder adoptieren können.
Die SPD hatte nach Merkels Äußerung die Abstimmung gegen den Willen des Koalitionspartners im Eilverfahren durchgesetzt. Die Union sah darin einen Vertrauensbruch, hob aber den Fraktionszwang auf. SPD-Chef Martin Schulz betonte, die „Ehe für alle“sei kein Sieg seiner Partei, sondern der Toleranz und Menschenwürde. Der Realität sei nun der gesetzliche Boden bereitet worden. Bisher durften Homoseter xuelle eine Lebenspartnerschaft amtlich eintragen lassen, aber nicht heiraten und gemeinsam Kinder adoptieren. Der Bundesrat beschäftigt sich am 7. Juli mit dem Gesetz.
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) und CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt zeigten sich in der Debatte wie Merkel überzeugt, dass das Grundgesetz unter dem Begriff Ehe nur ein Paar von Mann und Frau verstehe und dies für besonders schutzbedürftig halte. Sie plädierten aber für Respekt gegenüber Andersdenkenden.
Die großen Kirchen in Deutschland reagierten unterschiedlich auf den Beschluss. Die katholischen Bischöfe kritisierten die Entscheidung des Bundestags. Die evangelische Kirche dagegen begrüßte die „Ehe für alle“und warb für einen Blick nach vorn.
»Leitartikel „Zeitgeist bahnt der ,Ehe für alle‘ den Weg“von Walter Roller. »Politik „Ein historischer KonfettiRegen“– Martin Ferber berichtet von der Debatte und der Entscheidung. »Leserbriefe extra Wie unsere Leser über die Ehe für Homosexuelle denken.