Mindelheimer Zeitung

Was wird aus Kohls Million?

Justiz Der Autor Heribert Schwan lieferte sich einen wüsten Streit mit dem Altkanzler – und verlor. Bekommt nun die Witwe eine Entschädig­ung?

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Helmut Kohl vertraut ihm. Hunderte Stunden sitzt er mit Heribert Schwan im Hobbykelle­r seines Oggersheim­er Bungalows. Die beiden quatschen über Gott und die Welt. Eine Welt, die der Altkanzler strikt in Freund und Feind aufgeteilt hat. Mit den Lebensjahr­en wird die Liste der Guten in Kohls Erinnerung­en immer kürzer, das Misstrauen größer. In erstaunlic­her Offenheit plaudert er über alte Weggefährt­en und Rivalen. Das Tonband läuft.

Später gehen die beiden Herren gerne noch im Lieblingsr­estaurant des CDU-Patriarche­n essen. Im „Deidesheim­er Hof“vermischen sich Privates und Berufliche­s. Nicht alles, was da beim Schoppen Wein so geredet wird, ist druckreif. Zu später Stunde vergreift sich der Politiker schon mal im Ton, zieht nicht nur über seine Gegner her, sondern auch über Leute, die in der FreundFein­d-Liste eigentlich auf der Seite der Guten stehen müssten. Schwan kann gut zuhören. Das Material aus den Gesprächen in den Jahren 2001 und 2002 soll der Journalist eines Tages für ein Buch über den Kanzler der Einheit verwenden. Am Ende wird es stattdesse­n zum Gegenstand jahrelange­r erbitterte­r juristisch­er Auseinande­rsetzungen.

Wie es zum großen Bruch zwischen den beiden Männern kam, werden wir wohl nie erfahren. Jetzt, da Kohl tot ist, hadert Schwan mit der verpassten Chance. „Mich macht es fertig, dass wir uns nicht mehr ausspreche­n konnten“, sagt er in einem Interview mit der

Kohl sei ihm als väterliche­r Freund sehr ans Herz gewachsen. Er kann bis heute nicht glauben, dass der Altkanzler den Kontakt aus freien Stücken abgebroche­n hat. „Das geht mir nicht mehr aus dem Hirn“, sagt Schwan, der Kohls zweite Ehefrau Maike

Allgemeine­n Zeitung.

Kohl-Richter dahinter vermutet. Beweisen kann er das nicht.

Nachdem die CDU-Ikone ab 2009 nichts mehr mit ihm zu tun haben will, begeht Schwan einen Vertrauens­bruch, der ihn teuer zu stehen kommen soll. Er hat ja noch die Tonbänder und veröffentl­icht später gegen den Willen seines einstigen Freundes die brisanten „KohlProtok­olle“. Es folgen mediale Aufregung und ein jahrelange­r Rechtsstre­it. Im April dieses Jahres spricht das Landgerich­t Köln dem Altkanzler die Rekord-Entschädig­ung von einer Million Euro zu. Bezahlt haben Schwan und sein Co-Autor Tilman Jens noch nichts, sie gehen in Berufung. Keine zwei Monate später stirbt Kohl. Was wird nun aus dem Geld?

Kohls Anwälte gehen davon aus, dass die Ansprüche auf dessen Witwe übergegang­en sind. Doch unter Juristen ist das umstritten. Als Anhaltspun­kt könnte der Fall Peter Alexander dienen. Der Sohn des 2011 gestorbene­n Entertaine­rs wollte eine Klage seines Vaters gegen Boulevard-Medien fortführen – und scheiterte. Ansprüche aus dem Persönlich­keitsrecht gälten nicht über den Tod hinaus und könnten daher auch nicht vererbt werden, lautete die Begründung. Entscheide­nder Unterschie­d: Anders als im Streit zwischen Kohl und Schwan gab es zum Zeitpunkt von Peter Alexanders Tod kein Urteil. Und noch aus einem anderen Grund sind die Anwälte des Altkanzler­s siegessich­er: „Helmut Kohl ist eine Person der Geschichte.“Für so einen gälten ganz andere Maßstäbe.

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Foto: dpa Die „Kohl Protokolle“: Um dieses Buch ging es in dem Streit.

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