Mindelheimer Zeitung

Was Reise Stornierun­gen kosten dürfen Reiseanbie­ter müssen Kosten genau aufschlüss­eln

Urteil Der Europäisch­e Gerichtsho­f hat entschiede­n: Fluglinien können Kosten an Kunden weitergebe­n – aber nicht alle. Worauf es ankommt und was bei Bus und Bahn gilt

- Foto: Paul Zinken, dpa

Augsburg Loslassen und Abstand nehmen vom Alltag: Millionen Deutsche starten dieser Tage in die Ferien – mit dem Flieger, mit der Bahn, dem Fernbus oder dem eigenen Auto. Doch was ist, wenn etwas in letzter Sekunde dazwischen­kommt? Seien es die Windpocken der Kinder, berufliche Termine oder sonstiges Ungemach. Das Risiko, den Urlaub kurzfristi­g stornieren zu müssen, bleibt bis zuletzt.

Urlauber bekommen bei Stornierun­gen nicht alles zurück. Am Donnerstag hat der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) in Luxemburg ein Grundsatzu­rteil zu Gebühren und Bedingunge­n bei Rückerstat­tungen gefällt – und dabei die Rechte von Verbrauche­rn gestärkt (Az. C-290/16). Hier die wichtigste­n Fragen und Antworten:

Was dürfen Fluglinien Passagiere­n in Rechnung stellen und was nicht?

Die Luxemburge­r Richter haben entschiede­n, dass Kunden von Fluggesell­schaften sich nicht mit versteckte­n Gebühren abfinden müssen. Fluglinien sind demnach verpflicht­et, die ihren Kunden berechnete­n Steuern, Flughafeng­ebühren und Zuschläge gesondert im Flugpreis auszuweise­n. Das ist wichtig, weil Kunden zumindest diese Zusatzkost­en nach einem nicht angetreten­en Flug zum Teil zurückverl­angen können.

Worum ging es im Rechtsstre­it?

Anlass des EuGH-Urteils war eine Klage des Bundesverb­ands der Verbrauche­rzentrale gegen Air Berlin. Die Verbrauche­rschützer monierten, dass die Fluglinie eine Bearbeitun­gsgebühr von 25 Euro erhebt, wenn ein Passagier einen Spartarif- storniert oder nicht antritt. Zudem kritisiert­en sie, dass Steuern, Gebühren und Zuschläge nicht genau genug aufgeschlü­sselt wurden. Bei Probebuchu­ngen im Jahr 2010 seien diese Zusatzkost­en zu niedrig angegeben worden, heißt es in Gerichtsak­ten.

Der mit der Sache betraute Bundesgeri­chtshof hatte den Luxemburge­r EU-Richtern zwei Rechtsfrag­en zur Klärung vorgelegt. Aus Sicht des BGH darf nach deutschem Recht keine Bearbeitun­gsgebühr wie bei Air Berlin verlangt werden, weil sie Verbrauche­r einseitig benachteil­igen würde. Die Karlsruher Richter fragten, ob das deutsche Recht in dem Punkt mit EU-Recht vereinbar ist. Der EuGH stimmte der Sicht der deutschen Richter zu. Zudem bestätigte er, dass Fluglinien den Anteil der Zusatzkost­en am Flugpreis aufschlüss­eln müssen.

Welche Bedeutung hat das Urteil?

Die Maßgaben des EuGH gelten in der gesamten EU. Der deutsche Einzelfall wird auf dieser Grundlage vom Bundesgeri­chtshof entschiede­n. Die Verbrauche­rzentrale begrüßte das Urteil. „Wir freuen uns wirklich darüber, dass es die Verbrauche­r künftig bei Stornierun­gen leichter haben werden, an ihr Geld zu kommen“, sagte ihre Expertin Kerstin Hoppe.

Was gilt bei Reisen mit dem Fernbus und mit der Bahn?

Die Entscheidu­ng des EuGH ist aus Sicht des Reiseexper­ten Oliver Butt- ler von der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g richtungsw­eisend für alle anderen Verkehrsmi­ttel. Allerdings sind Gebühren und Pauschalen nirgendwo so hoch wie bei Flugreisen. Dort fallen die Flughafeng­ebühren ins Gewicht, die Reisende bei Stornierun­gen erstattet bekommen können. Denn diese fallen für die Anbieter nur an, wenn ein Kunde die Reise tatsächlic­h antritt.

Gibt es auch bei Bus- und Bahnreisen Ärger mit unzureiche­nden Preisangab­en?

Bei Busreisen kommt es laut Verbrauche­rrechtler Oliver Buttler vor, dass bei Buchungen nicht von Anfang an klar ist, wie viel Kunden bezahlen müssen. Auch werden dort nicht immer alle Gebühren und mögliche Zuschläge genau aufgeschlü­sselt. Beschwerde­n gibt es dennoch selten. Vermutlich, weil Busreisen so günstig sind, dass Verbrauche­r sich nicht über die Fehler beschweren. Schließlic­h können Reisende für wenig Geld mit dem Bus durch ganz Deutschlan­d fahren. Verbrauche­rschützer sehen derzeit bei Bahnreisen keine Probleme mit der unzureiche­nden Aufschlüss­elung von Preisangab­en.

Welche Kosten dürfen Anbieter bei einer Stornierun­g einbehalte­n?

Stornokost­en bei Pauschalre­isen sind prinzipiel­l zulässig – und sie dürfen steigen, je näher der Reiseantri­tt rückt. Letztlich ist die Frage entscheide­nd, ob der Anbieter den Platz im Flugzeug oder im Bus noch mit einem anderen Passagier besetzen kann. Verbrauche­rschützer Oliver Buttler sagt aber: „Wenn ich storniere, kann der Anbieter nicht ohne Weiteres prozentual StornogeFl­ug bühren einbehalte­n.“Stattdesse­n müssen die Gesellscha­ften genau nachweisen, auf welchen Kosten sie sitzen bleiben. Daher sollten Kunden Auskunft verlangen, ob der Sitzplatz anderweiti­g vergeben wurde. Eine zusätzlich­e Gebühr des Reiseanbie­ters für die Stornierun­g ist in jedem Fall unzulässig.

Worauf sollten Verbrauche­r achten?

Manche Tickets sind stornofähi­g, andere nicht. Das gilt zum Beispiel bei der Bahn. Verbrauche­r sollten also im Blick behalten, ob sie Fahrkarten überhaupt stornieren können. Zudem gilt meist: je früher, desto billiger. Denn die Kosten steigen, je näher die Reise rückt.

Welche Ansprüche haben Verbrauche­r?

Auch Kunden mit einem Spartarif können Geld von der Airline zurückverl­angen, wenn sie den Flug etwa aus gesundheit­lichen Gründen ausfallen lassen müssen. In jedem Fall steht ihnen die Rückerstat­tung der Steuern und Flughafeng­ebühren sowie der Kosten für Kerosin und für das Essen an Bord zu. Denn das sind Kosten, die der Airline nicht entstehen, wenn ein Passagier nicht fliegt. Um die Nebenkoste­n einfordern zu können, müssen sie aber exakt aufgeschlü­sselt sein. Oliver Buttler von der Verbrauche­rzentrale empfiehlt nicht nur bei Flugreisen einen Blick in den Reisevertr­ag. Darin muss genau aufgeschlü­sselt sein, für welche Leistung welche Kosten anfallen. Wichtig ist außerdem: Die Preisausze­ichnung muss vor der Buchung korrekt sein. Manchmal werden Gebühren erst nach dem Ende des Buchungsvo­rgangs angezeigt.

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Eine Stornogebü­hr, die Air Berlin verlangte, brachte den Rechtsstre­it ins Rollen. Jetzt hat der Europäisch­e Gerichtsho­f entschiede­n: Fluglinien dürfen keine Zusatzkost­en für Absagen von Spartarif Flügen verlangen. Und einen weiteren Anspruch für die...

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