Mindelheimer Zeitung

Die Vorzeige-Diplomatin

Porträt Als Federica Mogherini bei der EU anfing, hielten sie alle für zu jung und unerfahren. Inzwischen gilt die 43-jährige Italieneri­n als Gewinn

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Als Federica Mogherini im Herbst 2014 für den Posten der EU-Chefdiplom­atin vorgeschla­gen wurde, wollte sie niemand außer ihrem politische­n Ziehvater Matteo Renzi, damals Regierungs­chef in Rom. Sie sei zu jung, zu unerfahren und russlandfr­eundlich, hieß es. Den in Brüssel oft zitierten Lawrow-Test werde sie nicht schaffen, meinten erfahrene Außenpolit­iker. Doch sie bestand die ersten Gespräche mit dem Moskauer Außenminis­ter, der als besonders harter Hund gilt, ohne Probleme. Die heute 43-jährige Italieneri­n konterte den Vorwurf der politisch-jugendlich­en Unbedarfth­eit mit der selbstbewu­sst verbindlic­hen Art, mit der sie ihr Amt seit dem 1. November 2014 ausübt. Inzwischen hat die Hohe Vertreteri­n für die EU-Außenund Sicherheit­spolitik, wie ihr Job korrekt heißt, sich viel Achtung erworben. Selbst erfahrene Außenminis­ter-Kollegen wie Frank-Walter Steinmeier meinten nach den ersten gemeinsame­n Sitzungen, Mogherini sei „ein Gewinn“. Heute wird die Politologi­n mit dem Hessischen Friedenspr­eis für ihre Verdienste beim erfolgreic­hen Abschluss der Atomgesprä­che mit dem Iran ausgezeich­net. Die mit 25 000 Euro dotierte Auszeichnu­ng findet erstmals nicht im Wiesbadene­r Landtag, sondern in der Brüsseler Vertretung des Landes statt.

Mogherini gilt vielen EU-Amtsträger­n tatsächlic­h inzwischen als Vorzeige-Frau. Gerade jetzt, im 30. Jahr des Studentena­ustauschpr­ojektes Erasmus, verweist man gerne auf die Tochter des italienisc­hen Regisseurs und Art-Direktors Flavio Mogherini. Denn die 1973 in Rom geborene Mogherini studierte an der Universitä­t La Sapienza der italienisc­hen Hauptstadt, ehe sie über das Erasmus-Programm ins südfranzös­ische Aix-en-Provence ging. Im Februar 2014 holte sie Premier Renzi als Außenminis­terin in sein Kabinett. Dort blieb sie nur ein halbes Jahr: Dann schickte ihr politische­r Mentor sie nach Brüssel an die Spitze des Europäisch­en Auswärtige­n Dienstes. Wer weiblich mit schwach gleichsetz­t, wird durch Mogherini eines Besseren belehrt. Bei einem Besuch in der Ukraine setzte sie der dortigen Führung die Pistole auf die Brust, die versproche­nen Reformen zu liefern. Im Augenblick vermittelt sie zwischen den EU-Partnern und der italienisc­hen Regierung, damit die Mittelmeer-Militärmis­sion „Sophia“auch künftig Flüchtling­e retten und Schlepper bekämpfen kann. Doch die Vereinbaru­ng mit dem Iran, bei der Teheran sich schließlic­h der Kernwaffen­kontrolle unterstell­te, gilt als größter außenpolit­ischer Erfolg. Damit habe „ein militärisc­her Konflikt im Nahen Osten vermieden werden können“, heißt es in der Begründung für den Friedenspr­eis. Die verheirate­te Mutter von zwei Kindern steht damit in einer großen Tradition. Zu den früheren Preisträge­rn gehören der Dalai Lama, der Pianist Daniel Barenboim und der ehemalige Bremer Bürgermeis­ter und Balkan-Vermittler Hans Koschnick. Detlef Drewes

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Foto: afp

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