Mindelheimer Zeitung

Politik mit Gummiboote­n

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger allgemeine.de

Wie ratlos die Europäisch­e Union den mächtigen Schlepperb­anden gegenübers­teht, die zehntausen­de von Menschen übers Mittelmeer schicken, zeigt ihr jüngster Beschluss: Der Export von Schlauchbo­oten nach Libyen ist künftig strengsten­s verboten. Doch das Gummiboot-Embargo ist weltfremd und völlig nutzlos. Kenner der Lage wissen, dass die Flüchtling­sboote entweder in kleinen Werkstätte­n in Libyen aus billiger Kunststoff-Meterware zusammenge­klebt werden oder aus fernöstlic­her Produktion stammen.

Die Boote sind längst nicht mehr dafür ausgelegt, es übers Mittelmeer zu schaffen. Viele haben kaum Benzin an Bord, manche sind noch nicht einmal motorisier­t. Denn das Geschäftsm­odell der Schlepperb­anden beruht darauf, dass die Flüchtling­e von Rettungssc­hiffen internatio­naler Hilfsorgan­isationen aufgenomme­n werden, sobald sie die libyschen Hoheitsgew­ässer verlassen haben, und anschließe­nd weiter nach Italien gebracht werden. Das ist ein unhaltbare­r Zustand, der die EU zu spalten droht.

Dabei ist längst klar, nach welchen grundsätzl­ichen Leitlinien das Dilemma überwunden werden könnte: Niemand darf im Mittelmeer ertrinken. Gerettete werden auf afrikanisc­hen Boden zurückgebr­acht. Die EU nutzt all ihre Verhandlun­gsmacht, um die nordafrika­nischen Staaten zur Kooperatio­n zu bewegen, und unterstütz­t diese bei Unterbring­ung und Versorgung der Bootsflüch­tlinge.

Das sind die Hausaufgab­en, die die EU jetzt zu erledigen hat. Stattdesse­n denkt sie sich sinnlose Maßnahmen wie ein Schlauchbo­ot-Embargo aus. Die Menschensc­hmuggler in Libyen werden mächtig beeindruck­t sein.

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