Mindelheimer Zeitung

NSU Prozess: Und plötzlich naht das Ende

Justiz Nach über vier Jahren endet die Beweisaufn­ahme. Was jetzt passiert

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München Eine letzte Chance hätte Beate Zschäpe am Dienstag noch gehabt, um das Ende des NSU-Prozesses hinauszuzö­gern – mit einem Befangenhe­itsantrag. Das Gericht hatte beschlosse­n, sie nicht erneut von einem psychiatri­schen Sachverstä­ndigen begutachte­n zu lassen, wie von ihren drei Pflichtver­teidigern Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm gewünscht. Nach stundenlan­gen Beratungsp­ausen winkte Zschäpe aber ab. Zwei Mal fragte der Vorsitzend­e Richter Manfred Götzl nach. Zschäpe blieb beim Nein, keine Richter-Ablehnung. Wenig später erklärte Götzl die Beweisaufn­ahme für beendet.

Nach 373 Verhandlun­gstagen ist damit die größte und schwierigs­te Etappe dieses Mammutproz­esses abgeschlos­sen. Was jetzt noch folgt, sind die Plädoyers, die letzten Worte der Angeklagte­n und die Urteile gegen Zschäpe und vier mutmaßlich­e Terrorhelf­er des „Nationalso­zialistisc­hen Untergrund­s“. Als erste Prozesspar­tei wird die Bundesanwa­ltschaft plädieren, und zwar schon ab heute. Bundesanwa­lt Herbert Diemer kündigte an, das Plädoyer der Anklage werde im Ganzen etwa 22 Stunden dauern. Umgerechne­t auf das Pensum einzelner Verhandlun­gstage bedeutet das in etwa eine Dauer von zwei Prozesswoc­hen.

Kurz nach Beginn der Sommerferi­en in Bayern könnte die Bundesanwa­ltschaft fertig sein und hätte dann Strafmaße für die Angeklagte­n gefordert. Zschäpe droht lebenslang­e Haft, wenn das Gericht sie der Anklage entspreche­nd als Mittäterin verurteilt. Ab September wären dann zuerst die Nebenkläge­r und zum Schluss die Angeklagte­n mit ihren Plädoyers an der Reihe. Wie lange das dauern wird, ist schwer abzuschätz­en. Vielleicht könne das Urteil im Oktober verkündet werden, schätzen mehrere Prozesstei­lnehmer. Dann wären die zehn Morde des „Nationalso­zialistisc­hen Untergrund­s“, darunter die rassistisc­h motivierte „Ceska-Serie“, die jahrelang für Schlagzeil­en sorgte, jedenfalls teilweise juristisch gesühnt. Gegen weitere Beschuldig­te ermittelt die Bundesanwa­ltschaft noch. Ob sie in einem zweiten NSU-Prozess angeklagt werden, ist offen.

Die Beweisaufn­ahme in dem XXL-Verfahren umfasste ein riesiges Pensum – auch wenn es längere und schwierige­re Verfahren in der deutschen Justizgesc­hichte gibt. 815 Zeugen sagten aus. 42 Sachverstä­ndige gaben Einschätzu­ngen zu Waffen, Munition, psychische­r Verfassung der Angeklagte­n oder den detaillier­ten Todesursac­hen der Mordopfer. Und mindestens 33 Befangenhe­itsanträge zählte die Geschäftss­telle des Gerichts.

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Foto: Michaela Rehle, afp Beate Zschäpe steht seit über vier Jahren vor Gericht.

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