Mindelheimer Zeitung

Von der zweiten Heimat zurück in die erste

Abschied Nach neun Jahren in Markt Wald kehrt Pater John Mannakulat­hil nach Indien zurück. Er verrät, was er dort wohl am meisten vermissen wird

- VON SANDRA BAUMBERGER Foto: baus

Markt Wald Wie nahe Vorfreude und Wehmut beieinande­rliegen können, weiß Pater John Mannakulat­hil nur zu gut. In wenigen Tagen verlässt der Pfarrer Markt Wald – und zwar mit durchaus gemischten Gefühlen. Denn so sehr er sich auch freut, nach zehn Jahren in Deutschlan­d wieder in seine Heimat Indien zurückzuke­hren, so groß ist auch der Abschiedss­chmerz. Immerhin war er hier nicht nur neun Jahre lang Seelsorger, sondern hat auch viele Freundscha­ften geschlosse­n. Er hat rege am Dorfleben teilgenomm­en und dreimal das Oktoberfes­t besucht, einmal sogar in Tracht. Wunderbar sei das gewesen. „Heimat ist da, wo man Liebe, Freundscha­ft und Geborgenhe­it findet. All das habe ich hier reichlich erleben dürfen“, sagt der 45-Jährige. „Markt Wald ist einfach meine zweite Heimat geworden.“

Dass die Wertschätz­ung auf Gegenseiti­gkeit beruht, haben die Markt Walder heuer unter anderem mit ihrem Maibaum zum Ausdruck gebracht: Auf den Stamm haben sie wie berichtet das Porträt ihres Pfarrers mit einem indischen Abschiedsg­ruß gebrannt. Dass sie Pater John gerne noch länger hierbehalt­en hätten, dafür spricht auch die Frage: „Ja, warum gehen Sie denn?“, die ihm in den vergangene­n Monaten so oft gestellt wurde. „Ich sage dann immer: Heimat ist Heimat. Und wenn ich zu spät gehe, kann ich in Indien nicht mehr Fuß fassen.“

Deshalb also wird er am Mittwoch in München ins Flugzeug steigen und rund zehn Stunden später in Indien landen. Ob er dort wieder eine Pfarrei leiten oder er mit einer anderen Aufgabe betraut werden wird, weiß der Prämonstra­tenser noch nicht. Vorerst freut er sich vor allem auf seine Familie, die er in den vergangene­n eineinhalb Jahren nur bei den Videoanruf­en per Skype am Computerbi­ldschirm gesehen hat.

Seine Eltern und ein Bruder leben in Indien, ein weiterer Bruder in Katar und die Schwester auf Zypern. Er ist das älteste der vier Kinder und hat in den vergangene­n zehn Jahren mehr von Europa gese- – nämlich unter anderem Belgien, die Niederland­e, Italien und Österreich – als er sich bei seiner Abreise, seiner bis dahin ersten Auslandsre­ise, wohl hätte träumen lassen.

Auch damals kämpfte er mit gemischten Gefühlen, mit Abschiedss­chmerz, Vorfreude, aber auch ein bisschen Angst, wie er offen zugibt: Wie würde das wohl werden mit der Sprache, der Kultur und dem Klima? In seiner Heimat, dem indischen Bundesstaa­t Kerala, zeigt das Thermomete­r immer mindestens 20 Grad, Schnee hatte Pater John bis zu seinem ersten Winter in Deutschlan­d nie gesehen. Sorgen bereitete ihm auch das Autofahren: „Ich hatte gehört, dass man hier sehr schnell fährt. Doch jetzt finde ich es leichter als in Indien. Die Straßen sind sehr gut und alle befolgen die Verkehrsre­geln“, sagt er und fügt mit einem Lächeln hinzu: „Aber langsam wird es auch in Indien besser.“

Die ersten zwei, drei Jahre in Deutschlan­d seien schwierig gewesen: Zuvor hatte er bei seiner Familie gelebt, dann im Kloster, das Alhen leinsein in den Pfarrhöfen – im ersten Jahr in Oberhausen bei Augsburg und dann eben in Markt Wald – war er nicht gewohnt. „Außerdem konnte ich nicht kochen“, sagt er und erzählt schmunzeln­d, wie ihm seine Mutter bei seinen ersten Kochversuc­hen telefonisc­h zur Seite stand und Anweisunge­n gab, wann und wie die Gerichte zu würzen sind. Zeit und Geduld habe die Eingewöhnu­ng erfordert, wahrschein­lich, so vermutet Pater John, auch von den Markt Waldern. Schließlic­h sei sein Deutsch anfangs noch nicht so gut gewesen.

Jetzt werde er sich wohl auch erst wieder an das Klima in Indien gewöhnen müssen und vielleicht auch ein bisschen an die Kultur: „Die Leute hier sind sehr offen. Sie arbeiten hart, sie sind pünktlich und sie sagen sehr oft Danke. Alles ist gut geplant und organisier­t hier“, sagt der Geistliche. „Ich habe eine gute Zeit gehabt und bin dankbar für diese Erfahrung.“Übers Internet will er Kontakt mit den Markt Waldern halten und sie irgendwann auch wieder besuchen. „Im Gebet und in der Erinnerung sind wir verbunden – egal, ob wir in Indien oder hier in Deutschlan­d sind“, sagt er und bittet die Markt Walder, seinen Nachfolger Pater Binu Kachappill­y ebenso gut aufzunehme­n wie ihn.

OAbschieds­feier Nach dem Gottes dienst am Sonntag, 23. Juli, ab 10 Uhr verabschie­det sich Pater John bei einem Stehempfan­g im Pfarrgarte­n von den Markt Waldern. Gleichzeit­ig wird sich dort sein Nachfolger, Pater Binu Kachappil ly, vorstellen. Bei schlechtem Wetter findet die Feier im Adlersaal statt.

 ??  ?? Pater John Mannakulat­hil verlässt Markt Wald und kehrt in seine Heimat zurück. Einer seiner Lieblingsp­lätze war der Schnerz hofer Weiher, zu dem er jeden Tag spaziert ist, um die Natur zu genießen und unterwegs Leute zu treffen.
Pater John Mannakulat­hil verlässt Markt Wald und kehrt in seine Heimat zurück. Einer seiner Lieblingsp­lätze war der Schnerz hofer Weiher, zu dem er jeden Tag spaziert ist, um die Natur zu genießen und unterwegs Leute zu treffen.

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