Mal mehr als zehn Stunden arbeiten
Gast der Redaktion Bayern geht es wirtschaftlich blendend. Das lässt den wohl mächtigsten Arbeitgeber-Vertreter im Freistaat nicht ruhen. Wie Bertram Brossardt Gewerkschafter provoziert
aber, in dieser Sache „nur ruhig und sachlich Argumente vorzutragen“. Im Gespräch mit unserer Zeitung will er sich nicht als Scharfmacher vor der Tarifrunde missverstanden wissen. So pflege er ein gutes Verhältnis zur IG Metall. Den früheren Chef der Gewerkschaft in Bayern, Werner Neugebauer, duzt Brossardt, seinen Nachfolger Jürgen Wechsel zwar nicht: „Wir kommen aber gut miteinander klar.“
Dennoch fühlen sich Gewerkschafter durch die Forderungen der VBW nach einer Lockerung der Arbeitszeit massiv herausgefordert, auch wenn Brossardt sagt: „Wir wollen nicht, dass die Menschen insgesamt mehr arbeiten.“Sie sollten aber nach Gesetzes- und Verordnungsänderungen die Chance bekommen, ihren Job zeitlich so auszuüben, wie es ihren Wünschen und den Erfordernissen der modernen Arbeitswelt entspräche. Die heutigen Regelungen seien nicht mehr zeitgemäß. Sie stammten aus den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, stichelt der Hauptgeschäftsführer.
Konkret heißt das: Die bayerischen Arbeitgeberverbände wollen weg von der täglichen hin zu einer wöchentlichen Betrachtung der Arbeitszeit mit einem Spielraum von bis zu 48 Stunden. So sagt Brossardt: „Die Begrenzung der täglichen Arbeitszeit auf maximal zehn Stunden ist nicht mehr zeitgemäß.“Gleiches gelte für die gesetzliche Ruhezeit von elf Stunden nach Beendigung eines Arbeitstages. Diese will der VBW-Mann zwar nicht prinzipiell antasten, aber erlauben, dass Beschäftigte auch in dieser Entspannungsphase mal ihre E-Mails checken können.
Ob Pflegekräfte, Mitarbeiter in der Gastronomie, Ingenieure oder IT-Spezialisten: Geht es nach den Arbeitgebern, sollen sie alle auch mal elf oder zwölf Stunden an einem Tag arbeiten dürfen, wenn sie in der gleichen Woche an anderen Tagen kürzertreten. Brossardt glaubt: „Mit flexiblen Arbeitszeiten lassen sich auch Familie und Beruf besser unter einen Hut bringen.“Der Arbeitgeber-Repräsentant will durch seinen Vorstoß das Arbeitsrecht an die Erfordernisse einer digitalisierten Job-Welt anpassen und damit die Standortbedingungen verbessern. So soll verhindert werden, dass Deutschland wie in den 90er Jahren zurückfällt und die Arbeitslosigkeit in die Höhe schießt.