Mindelheimer Zeitung

Stockheim, der Nabel der Welt?

Begegnunge­n Ein Weltreisen­der strandet mit seinem Geländewag­en in dem Ort, kurze Zeit später folgen zwei Männer auf großer Mission

- VON DANIELA HÖLZLE

Stockheim Wer auf große Reisen geht, landet nicht unweigerli­ch in Stockheim – oder doch? Gerade erst strandete dort Hauwke Setjodinin­grat aus Indonesien auf seiner Fahrt um die Welt. Sein voll bepackter schwarzer Toyota Land Cruiser hatte eine Kur nötig. Die KfZ–Werkstatt von Tobias Rösch machte den Weltreisen­den wieder flott. Nur kurze Zeit später tauchten zwei Franzosen in dem kleinen Ort auf. Sie wollen zwar nicht um die Welt, sondern „nur“quer durch Europa – dafür aber zu Fuß. Antoine Guillon und Antoine Stammose aus der Picardie, etwa eine Stunde nördlich von Paris, haben sich ein ehrgeizige­s Ziel vorgenomme­n: Sie wollen die Strecke von Paris nach Istanbul auf Schusters Rappen bewältigen, insgesamt vielleicht 3000 Kilometer.

Unterwegs treffen sie immer wieder auf Menschen wie Irene und Stephan Miller aus Stockheim, die sie spontan auf eine Brotzeit einladen oder ihnen ein Nachtlager anbieten, praktisch direkt auf dem 48. Breitengra­d, der unmittelba­r am Haus verläuft. Die beiden Antoines revanchier­en sich mit der Geschichte ihrer Reise. Ihre Sprachkenn­tnisse in Deutsch und Englisch sind dabei sehr hilfreich. „Wir haben fünf Monate Zeit“, erzählt einer der beiden und fährt fort: „Wir sind am 17. Juni losgegange­n. Im November wollen wir wieder zu Hause sein.“Der Weg führte sie über Colmar nach Freiburg, wo sie eine zweitägige Pause eingelegt haben. Dann ging es weiter über Pfullendor­f ins Unterallgä­u. Meist übernachte­n die beiden 24-Jährigen im Zelt, doch in Wipfel kamen sie in den Genuss bequemer Betten: „Wir haben einen Mann nach Wasser gefragt, und er hat uns eingeladen, in seinem Haus zu schlafen.“Sie haben den Eindruck, in Deutschlan­d seien die Leute offener für solche Begegnunge­n als in Frankreich. „In Frankreich schauen die Leute zu viel Fernsehen, und dann haben sie Angst vor Fremden,“mutmaßt einer.

Die Unterschie­de zwischen Frankreich und Deutschlan­d bieten reichlich Stoff für Unterhaltu­ng. Antoine Stammose sind die riesigen Maisfelder aufgefalle­n, die hierzuland­e zur Energiegew­innung angepflanz­t werden: „In Frankreich geht das nicht, Pflanzen für die Biogasanla­ge anzubauen. In den Biogasanla­gen werden Reste und Abfälle ver- wertet.“Gestärkt von Tee und Brotzeit im Hause Miller in Stockheim zogen sie weiter, nach Landsberg am Lech. „Heute Abend machen wir tausend Kilometer“, erzählt einer der beiden stolz. Um ihr Gepäck möglichst leicht zu halten, haben sie nur Landkarten bis Salzburg dabei. Die Karten für den nächsten Abschnitt schickt die Familie postlagern­d nach Salzburg. Von dort aus geht es weiter an den Plattensee in Ungarn und über Serbien und Bulgarien in die Türkei. Und zurück mit dem Flugzeug? „Nein!“, protestier­t Antoine Stammose, „nach fünf Monaten Wanderung in drei Stunden nach Hause fliegen, das ist zu einfach.“Außerdem wäre das nicht umweltfreu­ndlich. Vielleicht per Anhalter, oder mit der Fähre über das Mittelmeer, alle Möglichkei­ten sind noch offen. In Stockheim bleibt von den netten Franzosen ein Gruß in Irene Millers Gästebuch, frei zitiert nach Neil Armstrong, dem ersten Mann auf dem Mond: „Un petit thé pour l’homme, un grand thé pour les relations humaines!“

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Die Millers verleihen neue Kräfte für einen gewaltigen Fußmarsch: Irene und Stephan Miller mit Antoine Guillon (von links) und Antoine Stammose in Stockheim.
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Fotos: Hölzle, Schmid Einem Weltreisen­den hilft man auch nicht alle Tage: Hauwke Setjodinin­grat (von links), Minar Soedargo und Tobias Rösch in Stockheim.

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