Mindelheimer Zeitung

Wenn „bunte Astronaute­n“Leben retten

Hauptübung Geschützt von grünen und orangefarb­enen Anzügen dürfen die Feuerwehrl­eute in die Nähe der auslaufend­en Chemikalie. Bei der Übung in Mindelheim fand eine Premiere statt

- VON ULLA GUTMANN

Mindelheim Was passiert, wenn es brennt und Chemikalie­n austreten? Um in einem solchen Fall ausreichen­d vorbereite­t zu sein, hat die Mindelheim­er Feuerwehr auf dem Gelände der Firma Osbra geübt. Die Helfer gingen bei der Hauptübung davon aus, dass im nördlichen Teil einer immerhin etwa 2500 Quadratmet­er großen Halle ein Feuer ausgebroch­en war. Osbra hat etwa 120 Mitarbeite­r und stellt Kleinund Individual­serien von Kunststoff­teilen für die Automobili­ndustrie her. Drei Personen wurden in der Halle vermisst, die bei der Übung von Buben der Jugendfeue­rwehr gespielt wurden.

Da sich überall dichter Rauch ausgebreit­et hatte, war es nicht einfach für die Feuerwehrm­änner, sich zu orientiere­n. Doch schnell wurden die ersten zwei Verletzten gefunden und geborgen, etwas später auch der dritte Junge.

In der anderen Hälfte der Halle, so das Übungsszen­ario, erschrak ein Staplerfah­rer durch die Brandgefah­r und den Qualm so sehr, dass er in Panik in einen großen Kunststoff­behälter fuhr, in dem sich Chemikalie­n befanden. Dabei stieß er zwei faustgroße Löcher in die Hülle und eine unbekannte chemische Flüssigkei­t trat aus und bildete schnell eine große Pfütze am Boden.

In Wirklichke­it handelte es sich nur um Wasser, aber die Feuerwehrl­eute, die hier mit Atemschutz­masken, Sauerstoff­flaschen auf dem Rücken und darüber hinaus mit dicken grünen Vollschutz­anzügen ausstaffie­rt waren und sich nur noch schwerfäll­ig bewegen konnten, hatten keine leichte Aufgabe: Mit Bindemitte­l versuchten sie das Leck zu verschließ­en, was nicht gelang, und schließlic­h stopften sie Holzkeile in die Öffnungen, um zu verhindern, dass noch mehr Flüssigkei­t austrat.

Alle Chemikalie­n müssen gekennzeic­hnet sein und so beleuchtet­en sie mit Taschenlam­pen die aufgeklebt­en Etiketten. Außerhalb der Halle wurde von allen Seiten gelöscht, auch von oben mit einer Drehleiter. Mehrere hundert Zuschauer hatten sich trotz leichten Regens versammelt und verfolgten gespannt das Geschehen. Mitarbeite­r des Roten Kreuzes versorgten die Verletzten.

Die Einsatzkrä­fte, die bei den ausgetrete­nen Chemikalie­n zugange gewesen waren, mussten im Freien zunächst in einen dafür abgesperrt­en Bereich, um sich zu reinigen. Zur Erkundung, zum Absichern und zur Menschenre­ttung trugen die Männer orangefarb­ene Chemieschu­tzanzüge. Die Einsatzkrä­fte, die direkt mit der Flüssigkei­t in Berührung gekommen waren, hatten dickere grüne Anzüge an und zusammen sahen sie ein bisschen aus wie bunte Astronaute­n.

In einer aufblasbar­en Duschkabin­e lagen Waschhands­chuhe und Bürsten bereit, Löschwasse­r spritzte auf die Anzüge und das gesamte verschmutz­te Abwasser wurde abgefangen und in große Kanister geleitet. Die abgelegten Schutzanzü­ge kamen dann in große Plastiktüt­en – alles Sicherheit­smaßnahmen, um eine unkontroll­ierte Verteilung der gefährlich­en Substanz zu vermeiden.

Als sich alle nach dem erfolgreic­hen Abschluss der Übung versammelt hatten, überreicht­e der Vertriebsl­eiter von Osbra, Ralf Mangold, eine Spende von 1000 Euro für die Mindelheim­er Feuerwehr an den Kommandant­en Stephan Jäckle. Anerkennen­d meinte Mangold dazu: „Feuerwehrm­änner sind diejenigen, die ihre Freizeit für die Sicherheit anderer opfern.“

Beobachter Kreisbrand­rat Alexander Möbus lobte den Einsatz, erklärte, wie schwierig die Situation mit der ausgelaufe­nen Chemiesubs­tanz war, und sagte: „Der Eigenschut­z geht vor! Ziel war es, eine stabile Lage herzustell­en.“

Eine echte Herausford­erung sei diese Übung gewesen, fand er. Er sei deshalb stolz, wie die Feuerwehrl­er die Aufgaben nach und nach abgearbeit­et hätten und freute sich über die hohe Übungsbete­iligung: 94 Einsatzkrä­fte waren an diesem Abend dabei, davon elf von der Jugendfeue­rwehr.

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Fotos: ug Nach dem Einsatz werden die Schutzanzü­ge dekontamin­iert und in Folie verpackt.
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Neben dem angenommen­en Chemieunfa­ll gab es auch noch einen Brand in der Halle der Firma Osbra zu „löschen“.
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Welches Gefahrgut läuft aus? Eine Frage, die ebenfalls geklärt werden musste.

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