Mindelheimer Zeitung

„Schnecken sind Geschöpfe Gottes“

Gartenarbe­it Kriechtier­e werden zerschnitt­en, verbrüht und vergiftet. Ist das mit christlich­en Werten vereinbar?

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Kaufbeuren Wenn sich Schnecken durch Salatköpfe und Erdbeeren fressen, greifen viele Gartenbesi­tzer zu drastische­n Mitteln – von heißem Wasser über Salz bis zur Schere. Ein Konflikt? Wir sprachen mit Bruder Georg (52) und Bruder Maximilien (34) aus der Zisterzien­serabtei St. Severin in Kaufbeuren über ethische Fragen bei der Gartenarbe­it.

Bruder Georg, haben Sie schon einmal eine Schnecke zerschnitt­en?

Bruder Georg: Als wir vor Jahren mit unserer Abtei in diese ehemalige Funkanlage im Eichwald eingezogen waren, standen wir vor einem Problem. Die Schnecken überrannte­n uns in dieser naturnahen Lage geradezu. Anfangs haben wir die Tiere alle aufgelesen, in einen Eimer geworfen und im Wald ausgesetzt. Irgendwann wussten wir uns nicht mehr anders zu helfen, als die verbreitet­en Methoden anzuwenden. Ja, auch wir haben es mit Schneckenk­orn und Schere versucht.

Ein Konflikt für Sie?

Bruder Georg: Ja. Auch Schnecken sind Geschöpfe Gottes und haben ihren Platz in der Natur. Auch sie verspüren vermutlich Schmerzen. Ich denke aber, dass eine Schere dem Tier wenigstens ein schnelles Ende setzt. Im Gegensatz zu Salz, das für ein qualvolles Ende sorgt.

Weist Ihnen die Bibel den Weg im Umgang mit Schnecken?

Bruder Georg: Die Heilige Schrift gibt wenig her zum Umgang mit Schnecken. Sie kommen dort nicht vor. Selbst bei der Arche Noah ist nur von Kriechtier­en die Rede.

Haben Sie die Tiere damals in Ihr Abendgebet eingeschlo­ssen?

Bruder Georg: Nein, besser. Wir haben gelernt, dass es nicht nötig ist, die Tiere so zu töten. Einerseits bringt es nichts, weil immer neue Schnecken auftauchen. Anderersei­ts gibt es naturnahe Methoden.

Haben Schnecken eine Seele?

Bruder Maximilian: Der Philosoph und Theologe Thomas von Aquin hat sich einst sehr klar zum Umgang mit Geschöpfen allgemein und mit Tieren im Besonderen geäußert. Für ihn war es selbstvers­tändlich, dass jedes Tier eine Ich-Empfindung hat und auch Schmerzen spüren kann.

Bereuen Sie ihr früheres Vorgehen?

Bruder Georg: Vielleicht kann man es so sehen: Wir mussten es tun, um ein Gleichgewi­cht in unseren Gärten herzustell­en, in denen heute jeder Bewohner seinen Raum hat.

Welches Ereignis brachte Ihnen die Erkenntnis?

Bruder Georg: Ausschlagg­ebend war die Beobachtun­g, dass unsere Häusleschn­ecken hier oben die Eier der Nacktschne­cken fressen. Es findet eine natürliche Auslese statt. Es gibt in einem naturnahen, vielfältig­en Garten etliche Feinde für kleine Schnecken, etwa Vögel und Käfer.

Was haben Sie danach getan?

Bruder Maximilian: Wichtig ist, auf bestimmte Pflanzen, die Schnecken anziehen, zu verzichten. Oder den Schnecken gezielt das Fortkommen zu erschweren. Salat gehört dann eben in ein Hochbeet und ins Gewächshau­s. Bei Erdbeeren hilft Mulchen mit Stroh. Die Tiere bleiben unter dem Stroh und lassen die Beeren in Ruhe. Holzspäne sind auch immer gut. Darauf können sich die Tiere schlecht bewegen.

Welche baulichen Vorrichtun­gen empfehlen Sie?

Bruder Georg: Eine Beeteinfas­sung und gebogene Bleche helfen eigentlich ganz gut. Etwas mehr Arbeit hat man, wenn man zwischen die Reihen Wellpappes­treifen oder angerottet­e Bretter legt. Die Tiere verkrieche­n sich darunter und lassen sich so leicht einsammeln.

Was halten Sie von der Bierfalle?

Bruder Georg: Eine weitere ebenso bekannte wie effektive Methode. Ein Bottich Gerstensaf­t im Beet zieht die Tiere an.

Aber es handelt sich um ein Lebensmitt­el …

Bruder Georg: Wir nehmen dafür Doppelbock, den wir auch zur Herstellun­g unserer Bierseife verwenden. In Maßen gebraucht, ist das keine Verwendung von Lebensmitt­eln. Das wäre ja dann auch wieder nicht mit christlich­en Werten vereinbar.

Interview: Alexander Vucˇko

 ?? Foto: Mathias Wild ?? Schnecken können zur Plage werden: Bruder Georg und Bruder Maximilian (rechts) aus der Abtei St. Severin in Kaufbeuren setzen dennoch auf sanfte Methoden, um die Kriechtier­e von ihren Gärten fernzuhalt­en.
Foto: Mathias Wild Schnecken können zur Plage werden: Bruder Georg und Bruder Maximilian (rechts) aus der Abtei St. Severin in Kaufbeuren setzen dennoch auf sanfte Methoden, um die Kriechtier­e von ihren Gärten fernzuhalt­en.

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