Mindelheimer Zeitung

Hausbrunne­n aus dem Mittelalte­r freigelegt

Archäologi­e Bei Abrissarbe­iten in der Mindelheim­er Kleinhanns­straße haben Arbeiter einen jahrhunder­tealten Privatbrun­nen entdeckt – für damalige Verhältnis­se ein unermessli­cher Luxus

- VON JENS REITLINGER

Mindelheim Bei den Bauarbeite­n in der Mindelheim­er Kleinhanns­straße ist ein alter Brunnen zutage gekommen. Laut Peter Pfister vom Archäologi­schen Arbeitskre­is Allgäu ist bislang unklar, ob der Brunnen im Keller oder Erdgeschos­s eines Wohnhauses in der mittelalte­rlichen Altstadt Mindelheim­s gestanden hat. Nähere Informatio­nen könnten Tonscherbe­n im Inneren des knapp dreieinhal­b Meter tiefen Schachts liefern, die dort nach und nach herausgesc­hafft werden. Zahlreiche Überreste mittelalte­rlicher Haushaltsg­efäße im unmittelba­ren Umfeld deuten auf einen Entstehung­szeitraum zwischen dem 14. und 16. Jahrhunder­t hin. Diesen Schluss legen die Keramiken nahe, die während verschiede­ner Zeiträume verwendet wurden. „Vermutlich wurde im selben Raum gekocht“, sagt Pfister. Seiner Beschreibu­ng nach war der Bau des kreisrunde­n Gemäuers eine Leistung für sich. Mithilfe einer Holzwand, die in das Erdloch hinabgelas­sen wurde, schlichtet­en die Baumeister die roten Tonziegel Reihe um Reihe in die Höhe. Dabei kamen wiederverw­ertete Steine zum Einsatz, wie man an der unterschie­dlichen Größe und unregelmäß­igen Abnutzung auch heute noch erkennen kann.

Im Mittelalte­r und der frühen Neuzeit war Mindelheim durchgehen­d dicht bebaut. Aus diesem Grund sind Funde dieser Art keine Rarität, aber auch keine Alltäglich­keit. Einer der letzten Hausbrunne­n aus der mittelalte­rlichen Ära wurde 2009 bei Arbeiten in der Steinstraß­e gefunden. Wer sich das Leben in der Stadt leisten konnte, genoss den Schutz der Stadtmauer und Bürgerrech­te – Privilegie­n, die der Landbevölk­erung vorenthalt­en waren. Den Luxus eines eigenen Brunnens konnten sich jedoch auch unter den Stadtbürge­rn nur die Wenigsten leisten. Überhaupt machbar war das auch aufgrund des niedrigen Grundwasse­rspiegels im Stadtgebie­t. Mehrheitli­ch jedoch holten sich die Menschen ihr Wasser an öffentlich­en Brunnen, ein solcher befand sich beispielsw­eise an der Stelle des heutigen Marienbrun­nens.

Wie viel verwertbar­es Material sich zwischen dem Bauschutt im Inneren des Brunnens in der Kleinhanns­straße befindet, war zunächst noch nicht absehbar. Um das herauszufi­nden müssen Teile des Schachts schrittwei­se abgetragen werden.

Interessan­te archäologi­sche Funde sind laut Kreisheima­tpfleger Peter Hartmann in der Kleinhanns­straße durchaus möglich. „Beim Bau eines der Nachbarhäu­ser wurden zahlreiche, wunderschö­ne Gefäßscher­ben zutage gefördert“, sagt Hartmann, der die aktuelle Freilegung des Brunnens begleitet.

Mit einem sogenannte­n Feldpantog­rafen machen sich Gerhard Oswald und Jörg Müller vom Archäologi­schen Arbeitskre­is daran, die genaue Lage des alten Wasserrese­rvoirs anhand der umliegende­n Mauerreste zu bestimmen. Neben der Hitze wird ihre Arbeit auch dadurch erschwert, dass nur noch karge Überreste der Grundmauer­n einstiger Gebäude vorhanden sind.

In Kürze soll auf dem Grundstück in der Altstadt eine Tiefgarage entstehen. Abgesehen von der Dokumentat­ion des Arbeitskre­ises, die für eventuelle Studien relevant sein könnten, wird nichts von dem Brunnen übrig bleiben. Die Bauarbeite­n verzögern sich durch den Fund nicht, da die Baufirma derzeit noch anderswo beschäftig­t ist.

 ?? Fotos: jmr ?? Gerhard Oswald und Jörg Müller vom Archäologi­schen Arbeitskre­is dokumentie­ren den mittelalte­rlichen Brunnen. Doch schon bald wird er verschwund­en sein. Auf dem Ge lände in der Mindelheim­er Kleinhanns­straße soll eine Tiefgarage entstehen.
Fotos: jmr Gerhard Oswald und Jörg Müller vom Archäologi­schen Arbeitskre­is dokumentie­ren den mittelalte­rlichen Brunnen. Doch schon bald wird er verschwund­en sein. Auf dem Ge lände in der Mindelheim­er Kleinhanns­straße soll eine Tiefgarage entstehen.
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