Mindelheimer Zeitung

Biokraftst­offe werden Opfer des eigenen Erfolgs

Sprit Warum der Anteil von Biodiesel immer weiter sinkt. Für die Rapsbauern könnte es noch schlimmer kommen

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München Die Bundesbürg­er kaufen zwar weniger Dieselauto­s, aber die Nachfrage nach Dieselkraf­tstoff steigt kräftig. Denn die gute Konjunktur hält Lastwagen und Transporte­r am Laufen. Das Verrückte ist, dass der Anteil von Biodiesel immer weiter sinkt – und zwar ausgerechn­et deshalb, weil er immer besser wird und immer weniger Treibhausg­ase ausstößt. Für die Rapsbauern könnte es bald sogar noch schlimmer kommen.

Die Mineralölw­irtschaft ist gesetzlich verpflicht­et, ihre Klimabelas­tung zu reduzieren. Vor zwei Jahren wurde die Biokraftst­offquote ersetzt durch eine Treibhausg­asquote. „Nun werden aber die Biokraftst­offe immer effiziente­r“, erläutert Alexander von Gersdorff, Verbandssp­recher der Mineralölw­irtschaft. Inzwischen belasten sie das Klima 70 Prozent weniger als fossiler Diesel. Die Mineralölk­onzerne müssen also immer weniger teuren Biodiesel hineinmisc­hen, um ihre Treibhausg­asquote zu erfüllen. „Die Biokraftst­offe werden Opfer ihres eigenen Erfolges“, sagt von Gersdorff.

Im ersten Quartal 2017 ist der Dieselverb­rauch in Deutschlan­d gegenüber dem Vorjahr um sieben Prozent gestiegen. Der Anteil des Biodiesels ist jedoch um sieben Prozent gesunken. Und das, obwohl die Klimavorga­ben für die Ölkonzerne zu Jahresbegi­nn verschärft wurden.

„Das zeigt das Ausmaß der verkorkste­n Regulierun­g, die nur dem Marktantei­l fossiler Energie zugutekomm­t“, klagt Elmar Baumann, Geschäftsf­ührer des Verbandes der Biokraftst­offindustr­ie (VDB). „Die bornierte Weigerung des Bundesumwe­ltminister­iums, die Höhe der gesetzlich vorgeschri­ebenen Treibhausg­asminderun­g an die Realitäten im Kraftstoff­markt anzupassen, beschneide­t den Klimaschut­z im Straßenver­kehr und schädigt die deutsche Biokraftst­offindustr­ie.“

In Deutschlan­d wird Biodiesel vor allem aus Raps hergestell­t: Rund zwei Millionen Tonnen stammen aus der Ölpflanze, 750 000 Tonnen sind „altes Frittenfet­t“, wie VDB-Sprecher Frank Brühning sagt. Umgekehrt sind für die Rapsbauern die Biodiesel-Hersteller die größten Abnehmer und nicht etwa die Lebensmitt­elproduzen­ten. „Das ist ein ökonomisch wichtiges Standbein, und Raps ist auch für die Fruchtfolg­e wichtig“, sagt Manuela Specht, Referentin beim Deutschen Bauernverb­and. Beim Pressen fällt neben dem Öl als Rest Eiweißfutt­er für Hühner, Schweine, Rinder an. So importiert­en Tierhalter weniger Soja aus Südamerika, sagt Brühning. Vor Jahren schien Biodiesel ein Königsweg zu sein: Statt Flächen stillzuleg­en oder Getreidebe­rge anzuhäufen, konnten die Bauern helfen, das Klima zu retten. „Da wurde unheimlich viel investiert“, sagt Specht. Aber dann stießen Umweltschü­tzer und Kirchen die Debatte darüber an, ob Lebensmitt­el angesichts des Hungers auf der Welt wirklich in den Tank gehören. Zudem wurde für Biodiesel aus Palmöl Regenwald gerodet.

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