Bloß keine Angst vor Fehlern
Wenn etwas schiefläuft in einem typischen Projekt in einem typischen deutschsprachigen Unternehmen, dann ist die typische Reaktion der typische ausgefahrene Suchfinger: Wer hat das gemacht?
Wer ist der Schuldige? Natürlich haben Sie längst kapiert, dass eine solche Reaktion die Angst vor Fehlern erhöht und dass nichts innovationsfeindlicher ist als die Angst vor Fehlern. Aber: Da draußen ist dieses Thema eben noch immer die ganz große Nummer. Denn obwohl es alle verstanden haben, gibt es ein riesiges Umsetzungsdefizit. Fehler sind in Wahrheit nicht gewollt. Das ist die herrschende Doktrin in den meisten Unternehmen – und alles andere sind schöne Sonntagspredigten.
Es ist also ganz offensichtlich alles andere als einfach, dem Fehlschlag den Stachel zu ziehen. Meine Frage ist darum: Wie kann ich ganz konkret eine sinnvolle, praktikable Fehlerkultur errichten? Meine Antwort: Es gibt kein Patentrezept! Ich weiß nicht, wie es ausgerechnet bei Ihnen funktionieren wird. Aber ich kann Ihnen zumindest zwei Anregungen geben.
Erstens: Differenzieren Sie Fehlschläge! Denn während die meisten Mitarbeiter sehr gut Erfolge erkennen und benennen können, fällt es ihnen fast immer sehr schwer, zwischen „guten“und „schlechten“Fehlschlägen zu unterscheiden. Fragen Sie sich also: Bei welcher Sorte Fehlschläge sollte man sich in Ihrem Unternehmen auf die Schulter klopfen? Also zum Beispiel bei einer neuen Produktidee, die sehr gut ausgedacht und geplant war, aber dennoch bei den Testkunden gefloppt ist. Genau solche wertvollen, sinnvollen, lehrreichen Fehlschläge sollten unternehmensweit geteilt werden.
Zweitens: Belohnen Sie „clevere Fehlschläge“! Das ist eine sehr wirksame und nachhaltige Botschaft an alle Mitarbeiter, die unterstreicht, welches Verhalten erwünscht und gewollt ist. Mit „belohnen“meine ich übrigens nicht Boni oder Prämien. Viel wirksamer ist eine Form von sozialer Anerkennung. Ein prägnantes Beispiel dafür kommt vom indischen Mischkonzern Tata: Dort werden jährlich die besten Innovationen und die smartesten Fehlschläge ausgezeichnet. Letztere werden mit dem sogenannten „Dare to Try Award“prämiert. Im Jahr 2007 gab es in dieser Kategorie gerade mal zwölf Teams, die sich beworben haben. Aber dann kam der Moment, der sehr viel in Bewegung gebracht hat: Ratan Tata, der damalige CEO, kam auf die Bühne und gratulierte den Gewinnern des Innovationspreises ebenso wie den Gewinnern des „Dare to Try Awards“. Er stellte damit die smarten Fehler symbolisch mit den Erfolgen auf eine Stufe. Das ist eine mächtige Botschaft!
Sieben Jahre später hat sich die Zahl der Bewerber-Teams mehr als vervierzehnfacht! Die Wechselwirkung ist klar: Die Belohnung cleverer Fehlschläge ist für eine Kultur der Risikobereitschaft unerlässlich.
Anja Förster ist Unterneh merin, Vortragsrednerin und Autorin. Ihr neues Buch heißt „Zündfunken für Andersdenker“.