Zimmer Service
Die schwere, alte Drehtüre des Grandhotels Waldhaus ist eine Art Zeitmaschine. Eine, die mich mit wenigen Schritten ein Jahrhundert zurück befördert. Wie im Film. Draußen stehen Besucher aus aller Welt, die ihre hochmodernen Mobiltelefone zücken, um persönliche Erinnerungsfotos zu machen. Selfies für die sozialen Netzwerke vor dem majestästischen Bau hoch über dem weiten Talgrund des Örtchens Maria-Sils im Oberengadin. Drinnen ist von den alten Zeiten kaum etwas verloren gegangen. Die Vergangenheit begegnet einem in zahlreichen Details. In JugendstilKronleuchtern, originalen Wandbespannungen, gediegenem Mobiliar, im Musikzimmer und der stillen Bibliothek, in der früher schon Marc Chagall, Friedrich Dürrenmatt, Albert Einstein, Erich Kästner, Thomas Mann und Richard Strauss gesessen sind. Am liebsten würde ich selbst auf dem Steinwayflügel im Salon spielen oder das mechanische Welte-Mignon-Klavier anknipsen.
Seit 1908 gehört das Hotel derselben Familie – und die kümmert sich heute noch genauso rührend um die Gäste wie vor über 100 Jahren. Während ich mich in den sterilen Lobbys der Häuser großer Hotelketten oft verloren fühle, wird mir im Waldhaus warm ums Herz. Hier checkt niemand mal schnell ein. Hier wird man als Neuankömmling von der Betreiberfamilie persönlich begrüßt. Ohne Ausnahme. Dezent, so typisch für die Schweizer, fragt die Seniorchefin nach dem Wohlbefinden. Das Waldhaus ist ein Gesamtkunstwerk. Immer wieder wurde behutsam Neues hinzugefügt und Altes restauriert. An mancher Stelle ist diese Mischung aus Nostalgie und modernem Fünf-Sterne-Standard aber auch etwas schräg.
Stephan Schöttl