Die Hertha hat sich geschminkt
Bundesliga Serie Der Hauptstadtklub startet mit einer Imagekampagne und einem neuen Motto. Mehr Schein als Sein?
Berlin Die Hertha verpasst sich gerade einen frischen Anstrich. Zum 125. Geburtstag gibt’s ein neues Motto in modernem Englisch: „We try, we fail, we win“– Wir versuchen, wir scheitern, wir gewinnen. Und weil auf dem Mannschaftsbus noch Platz war, steht dort jetzt: „Eigentlich wollten wir mit dem Flieger kommen.“Dabei war die Truppe von Pal Dardai in der Bundesliga zwei Jahre lang eher unter dem Radar hindurchgeflogen. Zuletzt bis auf Platz sechs. Und darum versucht sich die alte Dame, grell geschminkt, mal wieder in Europa.
Hält die Hertha der Doppelbelastung stand?
Nur schwerlich. Die Doppelbelastung ist ja genau genommen eine Dreifachbelastung, schließlich soll auch im DFB-Pokal mal wieder etwas gerissen werden. Vom ersten Finale daheim träumen sie in Berlin seit ewigen Zeiten. In der Vorsaison war immerhin erst nach der 3. Runde Schluss, 2:3 im Elfmeterschießen gegen den späteren Titelträger Borussia Dortmund. Nun, mit Liga und garantierten sechs Gruppenspielen in der Europa League, geht es da schon anders zur Sache. Für die Liga ist daher zu erwarten, dass Platz sechs nicht noch einmal erreicht wird. Schließlich war der in der Vorsaison laut Trainer Pal Dardai schon „nicht normal“.
Wie hat sich die Hertha personell verändert?
Eine immense Lücke hat der Amerikaner John Anthony Brooks in der Innenverteidigung hinterlassen. In Euro ist sie 20 Millionen Euro groß, die der VfL Wolfsburg für den 24-Jährigen überwies. Der Nachfolger heißt Karim Rekik, ist 22 Jahre alt und kommt von Olympique Marseille. Seine vorherigen Stationen Manchester City, PSV Eindhoven, Blackburn Rovers und FC Portsmouth lassen auf internationale Erfahrung, aber auch auf wenig Konstanz schließen. Der Niederländer muss seine Klasse erst noch beweisen. Da die Hertha sonst keine relevanten Spieler abgegeben hat, sind alle Zugänge echte Boni: Stürmer Davie Selke von RB Leipzig (derzeit verletzt) und Linksaußen Mathew Lecki vom FC Ingolstadt. Torhüter Jonathan Klinsmann ist zunächst als dritter Mann geplant und den Medien eher wegen seines Vaters Jürgen ein paar Meldungen wert.
Wer ist das Gesicht des Vereins?
Es bleibt dabei: Pal Dardai. Der Mann ist nicht nur mit 286 Einsätzen Herthas Rekordspieler, sondern seit Februar 2015 auch deren Trainer. Vom damaligen Platz 15 ging es steil nach oben. Dardai ist charismatisch bis schlitzohrig, voll medienkompatibel und hält seine harte Seite gut verborgen. Die kennen nur die Spieler. Einen Besseren als Dardai gibt es für die Hertha nicht. Wenn nicht jetzt – wann dann? Dardai könnte mithilfe der Europa League etwas entfachen. Euphorie gar in Berlin? Wahrscheinlich nicht. Die Hertha bleibt wohl der Klub für die Westberliner, die Fans aus dem Osten halten es mit den aufstrebenden „Eisernen“von Union Berlin – oder dem FC Bayern, Borussia Dortmund, womöglich Dynamo Dresden. Immer noch geht ein Riss durch Berlin. Die Herthaner neiden den Unionern deren Coolness, ihr positives St.-Pauli-Image. Damit sich das ändert, serviert die Hertha die nächste Image-Kampagne. Die Stadt wird derzeit großflächig zugekleistert mit Plakaten: Pokalsieger 2022. Meister 2024. Double-Sieger 2027. Klubweltmeister 2037. Und: Mars Masters Champion 2078.
Zur Erklärung: Große Erfolge entstehen aus großen Träumen. Von einem neuen Stadion, einer handelsüblichen Fußball-Arena träumen sie bei der Hertha auch. Weil sie das altbackene Olympiastadion nur zu 62 Prozent auslasten. In Herthas Rückspiegel: Union, das in die Bundesliga drängt. Das Stadion an der alten Försterei wird bis zum Jahr 2020 um 15 000 auf 37 000 Plätze erweitert, davon 28700 Stehplätze. Das ist cool.