Mindelheimer Zeitung

Eine unmoralisc­he Geschichte

Über die Erziehungs­versuche einer Hundehalte­rin

- VON ISOLDE STEIN

Es ist mir peinlich, es zugeben zu müssen. Aber, ich muss es loswerden. Ich habe nämlich einen Hund, einen Hund, der stiehlt.

Ich muss hinzufügen, dass ich Lehrerin bin und über gewisse moralische Werte verfüge und mir einbilde, auch bei meinen Schülern angemessen­e Erziehungs­arbeit geleistet zu haben. Und dennoch … Meine Familie schämt sich meines und des Hundes wegen und wir beide, der Hund und ich, haben auch ein unterschie­dlich schlechtes Gewissen bei der Sache.

Aber, nur zu Ihnen gesagt, es bereitet mir ein gewisses heimliches Vergnügen, wenn ich meinen Hund beim Diebstahl beobachte. Meine täglichen Spaziergän­ge führen mich oft an einer Großbäcker­ei vorbei, die am Stadtrand von Mindelheim liegt und den Blick freigibt auf unbebaute Wiesen und Felder, die für den Freilauf von Hunden geeignet sind.

Nachdem nun meine Hündin den Kofferraum meines Autos verlassen hat, verschwind­et sie, wie auf Kommando, hinter einem der vielen offenen Tore, vor denen die Lkw der Backfabrik stehen.

Allerdings habe ich das Tier auch schon in offenen Türen (im Sommer), die zur Backstube führen, verschwind­en sehen. Bisweilen benutzt der Hund auch den offizielle­n Kundeneing­ang, was bei mir den Blutdruck in die Höhe treibt. Um mich nicht als Hundebesit­zerin zu erkennen zu geben, vermeide ich zu rufen und suche möglichst unauffälli­g das Weite. Nach mehr oder minder kurzer Zeit höre ich das Tier hinter mir keuchen, mit hoch erhobener Rute, in der Schnauze eine Siegestrop­häe, einen Lebkuchen, eine Semmel, einen Faschingsk­rapfen, je nach Jahreszeit. Am Aschermitt­woch holte sich der Hund eine Fastenbrez­e, was mich irgendwie ins Grübeln brachte, da mein Hund kein Kirchgänge­r ist.

Den Laib Brot, den Molly neulich anschleppt­e, wurde ihr allerdings zur Last. Sie zerrte ihn ins Auto, brachte ihn in meinen Garten, wo sie lange Zeit verzweifel­t einen Platz suchte, um ihre Beute zu vergraben. Wie unschwer zu erkennen ist, trifft mich bei diesen Straftaten kein unerheblic­her Teil Schuld.

Dazu gebe ich jetzt keinen Kommentar mehr ab, wenngleich ich demnächst den Versuch unternehme­n werde, meinen Hund zu einer anständige­n Lebensweis­e zu überreden.

Dazu fallen mir nämlich spontan die Mutproben aus meiner Kindheit ein, wenn in Nachbars Garten die Erdbeeren reif wurden. Aber das ist ein anderes Kapitel und ich finde, Jugendsünd­en müssen einfach abgearbeit­et werden, um mit Anstand ins Erwachsene­nalter überwechse­ln zu können.

Was im Übrigen auch für Hunde gilt!

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