Eine unmoralische Geschichte
Über die Erziehungsversuche einer Hundehalterin
Es ist mir peinlich, es zugeben zu müssen. Aber, ich muss es loswerden. Ich habe nämlich einen Hund, einen Hund, der stiehlt.
Ich muss hinzufügen, dass ich Lehrerin bin und über gewisse moralische Werte verfüge und mir einbilde, auch bei meinen Schülern angemessene Erziehungsarbeit geleistet zu haben. Und dennoch … Meine Familie schämt sich meines und des Hundes wegen und wir beide, der Hund und ich, haben auch ein unterschiedlich schlechtes Gewissen bei der Sache.
Aber, nur zu Ihnen gesagt, es bereitet mir ein gewisses heimliches Vergnügen, wenn ich meinen Hund beim Diebstahl beobachte. Meine täglichen Spaziergänge führen mich oft an einer Großbäckerei vorbei, die am Stadtrand von Mindelheim liegt und den Blick freigibt auf unbebaute Wiesen und Felder, die für den Freilauf von Hunden geeignet sind.
Nachdem nun meine Hündin den Kofferraum meines Autos verlassen hat, verschwindet sie, wie auf Kommando, hinter einem der vielen offenen Tore, vor denen die Lkw der Backfabrik stehen.
Allerdings habe ich das Tier auch schon in offenen Türen (im Sommer), die zur Backstube führen, verschwinden sehen. Bisweilen benutzt der Hund auch den offiziellen Kundeneingang, was bei mir den Blutdruck in die Höhe treibt. Um mich nicht als Hundebesitzerin zu erkennen zu geben, vermeide ich zu rufen und suche möglichst unauffällig das Weite. Nach mehr oder minder kurzer Zeit höre ich das Tier hinter mir keuchen, mit hoch erhobener Rute, in der Schnauze eine Siegestrophäe, einen Lebkuchen, eine Semmel, einen Faschingskrapfen, je nach Jahreszeit. Am Aschermittwoch holte sich der Hund eine Fastenbreze, was mich irgendwie ins Grübeln brachte, da mein Hund kein Kirchgänger ist.
Den Laib Brot, den Molly neulich anschleppte, wurde ihr allerdings zur Last. Sie zerrte ihn ins Auto, brachte ihn in meinen Garten, wo sie lange Zeit verzweifelt einen Platz suchte, um ihre Beute zu vergraben. Wie unschwer zu erkennen ist, trifft mich bei diesen Straftaten kein unerheblicher Teil Schuld.
Dazu gebe ich jetzt keinen Kommentar mehr ab, wenngleich ich demnächst den Versuch unternehmen werde, meinen Hund zu einer anständigen Lebensweise zu überreden.
Dazu fallen mir nämlich spontan die Mutproben aus meiner Kindheit ein, wenn in Nachbars Garten die Erdbeeren reif wurden. Aber das ist ein anderes Kapitel und ich finde, Jugendsünden müssen einfach abgearbeitet werden, um mit Anstand ins Erwachsenenalter überwechseln zu können.
Was im Übrigen auch für Hunde gilt!