Mindelheimer Zeitung

Neuer Streit um Sexualstra­frecht

Justiz Kaum ist die Reform des Gesetzes von Justizmini­ster Maas beschlosse­n, schlagen Experten Alarm. Sie monieren handwerkli­che Fehler

- VON MANFRED SCHWEIDLER

Würzburg Das Ziel war klar: Die Opfer sexueller Übergriffe sollen besser geschützt werden. Frauen sollen in ihrem Recht auf sexuelle Selbstbest­immung gestärkt werden. Doch die Zweifel an der Umsetzbark­eit des neuen Gesetzes wollen nicht verstummen. Das im vorigen Jahr eilig beschlosse­ne Gesetz zur Verschärfu­ng des Sexualstra­frechts mit dem eingängige­n Slogan „Nein heißt nein“ist erst wenige Monate alt. Umso erstaunlic­her ist, dass bereits jetzt Experten Bundesjust­izminister Heiko Maas (SPD) auffordern, das Gesetz zu entrümpeln. Nach Einschätzu­ng der Reformkomm­ission um den Würzburger Strafrecht­sprofessor Klaus Laubenthal war die jüngste Anpassung mit zu heißer Nadel gestrickt.

Nachdenkli­ch wiegt der 62-Jährige einen blauen Wälzer in den Händen: 1397 Seiten hat der Bericht der Kommission zur Reform des Sexualstra­frechts. Laubenthal hat den dicken Band gerade im Namen der zwölf Kommission­smitgliede­r an den Justizmini­ster übergeben. Das Buch enthält zweieinhal­b Jahre Arbeit der zwölfköpfi­gen Kommission: Referate der Mitglieder, aber auch Vorträge von „15 sachverstä­ndigen Personen aus der Praxis“, wie Laubenthal betont: Staatsanwä­lte, Psychologe­n, auch Prostituie­rte.

Kritik am bestehende­n Gesetz gab es schon lange. Deshalb hatte der Minister Anfang 2015 die Kommission beauftragt, Vorschläge zu erarbeiten. Aber die Fachleute wurden von den Ereignisse­n überholt. Nach den sexuellen Übergriffe­n auf Frauen am Kölner Hauptbahnh­of in der Silvestern­acht 2015/2016 hatten es die Abgeordnet­en plötzlich eilig: In Rekordzeit verabschie­dete der Bundestag eine Verschärfu­ng des Sexualstra­frechts.

„Einen wichtigen Schritt zur Stärkung der sexuellen Selbstbest­immung“, nannte Justizmini­ster Heiko Maas (SPD) damals das Gesetz, das Ende 2016 in Kraft trat. Seitdem ist unter anderem strafbar, Selbstbest­immung“und nach wie vor der Schutz Minderjähr­iger. Nach Empfehlung­en von Experten bleibt die Kommission dabei, das schutzwürd­ige Alter von Kindern bei 14 Jahren zu belassen. Der Kuppelei-Paragraf soll hingegen abgeschaff­t werden, weil er nicht mehr zeitgemäß sei. Und sie empfiehlt eine Strafbarke­it für Freier, die erkennbar die Lage einer Zwangspros­tituierten ausnützen.

Kritisch sehen die Reformer den neu geschaffen­en Paragrafen, der Straftaten aus Gruppen heraus ahnden soll – auch eine Reaktion auf die Kölner Silvestern­acht. Jetzt kann jemand bestraft werden, der sich in einer Gruppe befindet, die andere Menschen so bedrängt, dass dies eine Straftat darstellt. „Handwerkli­ch missglückt“und „schwer verständli­ch“sei der Paragraf, schreiben die Experten. Für die Fachleute ist dies lediglich ein „symbolisch­es Strafrecht“und kann daher wieder abgeschaff­t werden.

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