Mindelheimer Zeitung

Lässt der Justizmini­ster Gnade walten?

Justiz Weil Ingrid Millgramm (83) Waren im Wert von 70,11 Euro gestohlen hat, drohen ihr neun Monate Gefängnis. Bei der und der Rechtsanwä­ltin von „Oma Ingrid“melden sich viele Mitfühlend­e, die helfen wollen

- VON ALF GEIGER

Bad Wörishofen Lässt der bayerische Justizmini­ster Winfried Bausback im Fall der wegen Ladendiebs­tahls verurteilt­en Rentnerin Ingrid Millgramm (83) aus Bad Wörishofen Gnade vor Recht ergehen? Diese Frage stellt sich nun, denn die Pflichtver­teidigerin von „Oma Ingrid“, Anja Mack aus Memmingen, hat jetzt ein Gnadengesu­ch ins Justizmini­sterium geschickt.

Seit die Mindelheim­er Zeitung vor wenigen Tagen über den Fall von „Oma Ingrid, die vor Hunger klaute“berichtete, liefen in der Redaktion die Telefone heiß: Zahlreiche

MZ-Leser meldeten sich und boten der 83-Jährigen Hilfe an. Einige wollten der Frau, die nach Abzug aller Fixkosten mit rund 100 Euro im Monat auskommen muss, eine finanziell­e Unterstütz­ung zukommen lassen. Andere boten an, die ihr auferlegte Strafe aus eigener Tasche zu bezahlen. Es gab aber auch zahlreiche kritische Stimmen, die auf bestehende Hilfsangeb­ote wie die Tafel hinweisen und natürlich darauf, dass Diebstahl nun einmal bestraft werde.

Jene, die helfen wollten, waren einer Meinung: „Das kann ja wohl nicht wahr sein, dass diese Frau wegen so einer Bagatelle ins Gefängnis muss“, sagte eine alleinerzi­ehende Frau aus dem Landkreis. Auch in der Memminger Kanzlei von Rechtsanwä­ltin Anja Mack standen die Telefone nicht mehr still.

Die Pflichtver­teidigerin hofft jetzt, dass diese Stimmen auch beim Justizmini­sterium berücksich­tigt werden: Sie hat dort ein „Gnadengesu­ch“für Ingrid Millgramm eingereich­t und hofft auf eine baldige Entscheidu­ng des CSU-Justizmini­sters.

Wie berichtet, droht der 83-jährigen Ingrid Millgramm eine neunmonati­ge Gefängniss­trafe, weil sie Lebensmitt­el und Waren im Wert von insgesamt 70,11 Euro mitgehen ließ. Fünf Mal wurde die Rentnerin erwischt, als sie in Supermärkt­en nahe ihrer Wohnung klaute. „Ich habe aber extra nur die bereits reduzierte Ware gestohlen“, sagt sie. Dafür wurde sie zu einer Geldstrafe verurteilt, die sie aber nicht bezahlen konnte. Nach zwei weiteren Bewährungs­strafen geht das Memminger Gericht jetzt davon aus, dass ihre „Sozialprog­nose schlecht ist und weitere Straftaten zu befürchten sind“, bestätigte ein Sprecher der Staatsanwa­ltschaft.

Weil jetzt ein Gutachter trotz mehrerer chronische­r Krankheite­n und einer leichten Verwirrthe­it die Haftfähigk­eit der 83-Jährigen bestätigte, kann letztlich nur noch das „Gnadengesu­ch“eine Haftstrafe verhindern.

Nachdem sie nach dem Tod ihres Mannes ihr Vermögen verloren und sich wochenlang nur von „Knäckebrot und Leitungswa­sser“ernährt habe, sah Ingrid Millgramm keinen anderen Ausweg mehr: „Ich habe vor Hunger gestohlen, und dafür schäme ich mich heute zutiefst.“

Von ihrer knappen Rente bleiben ihr nach Abzug aller Fixkosten für Miete, Strom und Medikament­e höchstens 100 Euro monatlich, mit denen sie klarkommen muss. Dabei habe sie doch 45 Jahre gearbeitet, sagt die gelernte Schneideri­n ratlos. Hilfen wie etwa von der Tafel lehnt sie aber ab: Sie schäme sich zu sehr für ihre Altersarmu­t, sagt sie. Als „Oma Ingrid, die vor Hunger klaute“, hat sie bereits eine zweifelhaf­te Berühmthei­t erlangt.

Ingrid Millgramm will gar nichts beschönige­n – sie weiß, dass sie Unrecht getan hat: „Ich werde bestimmt nie wieder etwas stehlen.“Dementspre­chend freut sie sich natürlich auch über die große Unterstütz­ung, die ihr jetzt aus der Bevölkerun­g zuteilwurd­e.

 ?? Foto: alf ?? Ungläubig blättert Ingrid Millgramm (83) in den Schreiben der Staatsanwa­ltschaft Memmingen: Darin wird ihr mitgeteilt, dass ihr eine neunmonati­ge Gefängniss­trafe droht. Jetzt hofft sie aber auf Gnade des Justizmini­sters: Ihre Rechtsanwä­ltin hat ein...
Foto: alf Ungläubig blättert Ingrid Millgramm (83) in den Schreiben der Staatsanwa­ltschaft Memmingen: Darin wird ihr mitgeteilt, dass ihr eine neunmonati­ge Gefängniss­trafe droht. Jetzt hofft sie aber auf Gnade des Justizmini­sters: Ihre Rechtsanwä­ltin hat ein...

Newspapers in German

Newspapers from Germany