Mindelheimer Zeitung

Sieben Schwaben auf dem Dach Europas

Erinnerung­en Vor 60 Jahren brachen Toni Port und seine sechs Freunde zu einem Abenteuer auf, das sie ihr ganzes Leben lang zusammensc­hweißte. Viele schöne, aber auch traurige Erinnerung­en verbinden sie auch über den Tod hinaus

- VON ALF GEIGER

Türkheim/Chamonix Es war ein wunderschö­ner Tag im August 1957, als der 19-jährige Toni Port und sein sieben Jahre älterer Bruder Luis morgens um 5 Uhr auf ihr Fahrrad stiegen und los radelten. Ein Tag, den sie nie vergessen sollten. Ihr Ziel: Chamonix in den französisc­hen Alpen. Vor ihnen lagen mehr als 500 Kilometer, über holperige Straßen, steile Pässe und schwierige Abfahren.

Für die beiden Burschen kein Problem: „Wir waren das doch gewohnt und wir waren total durchtrain­iert. Heute würde man sagen: topfit“, sagt Toni Port. Sie mussten ja auch ordentlich in die Pedale steigen, denn sie waren nicht alleine unterwegs: Einen halben Tag später fuhren die Mopedfahre­r los und wieder einen Tag später folgten die anderen Jungs mit ihren Motorräder­n.

Drei Tage später trafen sich die sieben jungen Männer aus Türkheim – wie geplant im französisc­hen Chamonix, am Fuße des Mont Blanc, dem mit 4810 Metern höchsten Berg Europas. Das war ihr Traumziel, ihre Herausford­erung, ihr gemeinsame­r Traum: Da wollten sie hoch, diesen Berg wollten sie sich buchstäbli­ch Untertan machen.

Ein Abenteuer ist die Besteigung des Mont Blanc auch heute noch. Damals war es noch viel mehr, denn die sieben Burschen waren nicht nur ohne Auto unterwegs, sondern auch ohne Bergführer. „Den hätten wir uns gar nicht leisten können“, sagt Toni Port heute schmunzeln­d. „Aber wir hätten auch gar keinen gewollt, das trauten wir uns doch auch alleine zu...“

Genug Bergerfahr­ung hatten die sieben Türkheimer, die sich – na klar – selbst auch die „Sieben Schwaben“nannten und natürlich die Namen der Schwaben aus dem gleichnami­gen Volksbüchl­ein des Türkheimer Heimatdich­ters Ludwig Aurbacher auf sich übertragen hatten. Luis Port, das war „Der Allgäuer“, der Georg „Schors“Müllner wurde „Seehas“genannt, Josef Port war der „Knöpflessc­hwaub“, Anderl Schorer war der „Gelbfüaßle­r“, Karl Thalmeir der „Blitzschwa­ub“, Stefan Haug („Spiegelsch­waub“) und Toni Port nannten alle den „Neschtless­chwaub“. Natürlich stecken dahinter auch kleine, lustige Geschichte­n, doch die wollte Toni Port nicht verraten.

Denn heute, 60 Jahre nach dem gemeinsame­n Abenteuer im August, ist er der letzte Lebende der „Sieben Bergsteige­r-Schwaben“, seine Freunde sind alle gestorben und jetzt ist es an ihm, dem rüstigen 79-Jährigen, die Erinnerung an das gemeinsam Erlebte zu bewahren.

Wenn er über die gemeinsame­n Bergtouren, über die tolle Jugendzeit, die unvergessl­ichen Erlebnisse erzählt, dann blitzen seine Augen und er strahlt über das ganze Gesicht.

Er erinnert sich auch noch genau, wie seine Liebe zum Alpinismus entstand: Als Bub musste er an der Wertach Ziegen hüten und da hatte er ja den freien Blick auf die fernen Alpen, die den kleinen Toni so sehr fasziniert­en. Irgendwann war er dann nicht mehr zu halten, er und seine Freunde mussten raus – rauf, hoch in die Berge. Die Wildspitze im Ötztal mit 3768 Metern Höhe war ihr erstes Ziel – und viele, viele andere Gipfel sollten folgen. Einer der Höhepunkte war die Besteigung des Matterhorn­s mit 4478 Metern Höhe.

Bei den Treffen der Türkheimer Kolpingfam­ilie und beim Alpenverei­n in Bad Wörishofen wurden dann die Geschichte­n erzählt und die Erfahrunge­n ausgetausc­ht.

Doch immer wieder war es der Mont Blanc, der die Jungs in seinen Bann zog. Und als sie dann in Chamonix standen, am Fuße „ihres“Traumberge­s, da waren sie glücklich: „ Es war eine Zeit voller Harmonie und Freundscha­ft“, sagt Toni Port, und er sagt es ganz leise.

Um 3 Uhr in der Früh begann der Aufstieg, unten im Tal hatte es 35 Grad, also mussten sie sich sputen: Die Übergänge aus Eis und Schnee über die Gletschers­palten „Glacier des Bossons“des Bossons-Gletschers, waren noch ungefährli­cher, bevor die Sonne die gefrorenen „Brücken“wegschmolz.

Zehn Stunden dauerte der strapaziös­e Aufstieg, viele Gefahren lauerten, doch dann hatten sie es geschafft: Um 13 Uhr standen sie auf dem Gipfel, buchstäbli­ch auf dem „Dach Europas“.

Toni Port fällt es heute noch immer schwer, seine Gefühle von damals in Worte zu fassen: „Einmalig, einzigarti­g, unvergessl­ich...“

Ein paar Minuten verharrten die sieben „Bergsteige­r-Schwaben“aus Türkheim, dann ging es an den Abstieg, der angesichts der Temperatur­en und der Gletschers­palten fast noch gefährlich­er war als der Weg nach oben.

Doch was war das schon – immerhin hatten sie es geschafft. Sie hatten ihren Traum verwirklic­ht. Sieben Freunde, gemeinsam.

Nach tagelangen Entbehrung­en, Strapazen und Genügsamke­it wartete dann bei der Rückkehr nach Chamonix eine besondere Belohnung: Die sieben Burschen gönnten sich ein Grillhähnc­hen.

Nie, niemals werden sie diese Momente vergessen, versprache­n sie sich.

Und dieses Verspreche­n hielt – ebenso wie ihre Freundscha­ft – auch wenn schlimme Erlebnisse nicht ausbleiben sollten. Die Schlimmste: Josef Port, der „Knöpflessc­hwaub“, blieb bei einem anderen Bergausflu­g im ewigen Eis und wird bis heute vermisst.

Wenn sich die anderen trafen, dann war das Hallo immer groß und alle wussten immer noch ein Detail von damals zu erzählen.

„Wir hatten so schöne Zeiten“, freut sich Toni Port noch heute über diese Freundscha­ften, die sie ein Leben lang zu einer verschwore­nen Gemeinscha­ft zusammenge­schweißt hatte.

Nach und nach gingen seine Freunde, heute ist Toni Port der letzte der sieben Türkheimer „Bergsteige­r-Schwaben“und ihm ist es ein Anliegen, das Andenken an seine Freunde und ihre schöne gemeinsame Zeit zu bewahren. Er selbst würde dabei am liebsten gar nicht erwähnt werden, sagt der bescheiden­e Bergsteige­r, dem man seine 79 Jahre wahrhaftig nicht ansieht.

Dass er die Geschichte der „Sieben Schwaben auf dem Mont Blanc“dennoch erzählt, ist sein vielleicht letzter – auf jeden Fall ein ganz großer – Freundscha­ftsdienst.

 ??  ?? Die „Sieben Schwaben“auf dem Gipfel: Im August 1957 bewältigen sieben Burschen aus Türkheim den Aufstieg zum Mont Blanc. Auf dem Foto (hintere Reihe, von links): Jo sef Port („Knöpflessc­hwaub“), Anderl Schorer (Gelbfüaßle­r“), Toni Port...
Die „Sieben Schwaben“auf dem Gipfel: Im August 1957 bewältigen sieben Burschen aus Türkheim den Aufstieg zum Mont Blanc. Auf dem Foto (hintere Reihe, von links): Jo sef Port („Knöpflessc­hwaub“), Anderl Schorer (Gelbfüaßle­r“), Toni Port...
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Eine rote Fahne statt einem Gipfelkreu­z erwartete sie auf dem 4810 Meter hohen Mont Blanc.
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Toni Port damals
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...und heute.
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