Zwei Freunde, 13 PS, 1100 Kilometer
Porträt Der 16-jährige Phil und sein Kumpel Leon (17) sind tagelang mit dem Bulldog durch halb Deutschland unterwegs. Das ist auch für ihren Opa Hans-Guido Langer ein ganz besonderes Erlebnis – aus einem anderen Grund
Bad Wörishofen Alle Knochen tun ihnen weh – aber natürlich würden sie das so niemals zugeben: „Geht schon“, sagt der 16-jährige Phil Langer und lächelt etwas schief. Er blickt auf den eisernen Sitz, auf dem er jetzt wieder mindestens vier Tage lang Platz nehmen muss. 550 Kilometer liegen zwischen ihm und seinem Heimatort Moitzfeld bei Bergisch-Gladbach, ganz in der Nähe der Rheinmetropole Köln.
Phil und sein Freund Leon (17) wissen schon, was sie erwartet: Sie haben diese Strecke schließlich schon einmal hinter sich gebracht und sind auf dem Deutz-Traktor von Moitzfeld nach Bad Wörishofen getuckert – und dieses „getuckert“sagt nur annähernd aus, was die beiden dabei so alles erleben (und erleiden) mussten.
Denn mehr als 25 „Sachen“hat der alte Traktor Baujahr 1958, nun mal nicht drauf – und schneller dürfen die beiden Jugendlichen mit der Führerscheinklasse 11 ja auch (noch) gar nicht fahren.
Es war also eine gemütliche Reise vom Rheinland ins ferne Bayern – und natürlich mussten sie dabei die direkten Routen meiden und wählten lieber kleine Nebenstraßen, Feldwege oder zugelassene Fahrradwege. „Das ist dann manchmal schon auch ein wenig eintönig“, gibt Leon zu, doch die Reaktionen der Autofahrer oder Passanten an der Strecke versöhnten die beiden dann sofort: „Alle haben uns zugewinkt oder gehupt, der Daumen zeigte immer hoch“, freuten sich die beiden Jungs.
90 Kilometer schafften sie gerade mal am ersten Tag, immer wieder musste am alten Fendt Öl und Diesel nachgefüllt werden. „Zum Glück hatten wir keine Panne“, sagt Phil erleichtert. Ausgerüstet sind die beiden zwar, Werkzeug und einige Ersatzteile hat ihnen Papa Mike Langer eingepackt. Ihm gehört der Fendt – und neuerdings gehört ihm auch der „Eicher“-Diesel. Doch Mike Langer wohnt nahe Köln und der Eicher stand bei seinem Vater, dem Bad Wörishofer Hans-Guido Langer (81).
Für ihn, den ehemaligen Werbefachmann und Hotelbetreiber, war dieser Eicher mehr als „nur“ein Bulldog – auf dem alten Dieselross konnte er ausspannen und sich vom Alltagsstress erholen. Immer, wenn er ihn aus der uralten Scheune bei Oberegg holte und damit durch die Landschaft tuckerte, da war es ihm leicht ums Herz und er hatte ungetrübte Freude. 13 PS bringt der Einzylinder auf die Straße. Immerhin.
Natürlich fuhr auch sein Sohn Mike immer wieder mal mit und offenbar hatte ihn der Papa auch mit dem „Traktor-Virus“infiziert, denn längst bastelt auch der Sohn an alten Treckern herum. Und da ist es wohl auch kein Zufall, dass die nächste Generation auch schon angesteckt ist: Der 16-jährige Phil ist total begeistert vom Hobby seines Großvaters und Vaters.
Dass daraus aber jetzt ein echtes „Abenteuer“werden sollte, stand erst seit wenigen Wochen fest. Opa Hans-Guido vermachte seinen innig geliebten Eicher an seinen Sohn Mike: „Die Zeit war gekommen“, sagt er mit Stolz, aber auch ein bisschen wehmütig. Doch wie kommt der alte Bulldog in seine neue Hei- mat? Mit der Bahn? Mit dem Lkw? „Den holen wir dort ab und fahren zurück“, dachten sich die beiden Freunde Phil und Leon. „Und warum nicht gleich mit dem Traktor runter fahren und mit beiden wieder zurück?“Gesagt – getan.
90 Kilometer am ersten Tag, 120 Kilometer an den beiden nächsten Tagen – mindestens zwölf Stunden saßen die beiden Jungs am Steuer. Und dann hatten sie noch 170 Kilometer vor sich. Noch einen Zwischenstopp einlegen? Nein – direkt durch bis Bad Wörishofen.
Um 9 Uhr tuckerten sie los, um 22.30 Uhr kamen sie in Bad Wörishofen an, wo sie von Opa Hans-Guido Langer und seinem Freund Martin Steinle empfangen wurden. Martin Steinle hatte die beiden Burschen eingeladen, sich in seinem KneippHotel zu erholen – und das musste er den beiden auch nicht zweimal sagen: Todmüde marschierten die beiden schnurstracks ins Bett und schliefen durch bis zum nächsten Mittag ...
Doch allzu lange konnten sie das weiche Bett nicht genießen – sie mussten ja direkt wieder zurück, in der nächsten Woche ruft wieder die Schulbank. „Die ist aber bestimmt nicht härter als der Sitz des Bulldogs“, sagt Phil lachend.
Bei Wind und Wetter, Regen und Sonnenschein waren sie unterwegs, die richtige Kleidung dafür hatten sie schon eingepackt, und auch Planen für den Proviant und das Werkzeug sind immer dabei. „Die haben wirklich an alles gedacht“, sagt Opa Hans-Guido anerkennend.
Er ist mächtig stolz auf die beiden, das kann und will er gar nicht verbergen. Natürlich wird ihm ein wenig schwer ums Herz, wenn er seinen „Eicher“-Diesel davon fahren sieht. Aber egal – schließlich sitzt sein Enkel Phil am Steuer und winkt ihm freundlich zu.
Ist das etwa eine kleine Träne, da im Auge des 81-Jährigen? Und wenn schon – es sind Tränen der Freude, denn nicht nur, dass Phil am Steuer „seines“Eichers“sitzt, macht ihn total glücklich. Phil trägt auch eine etwas abgeschabte Lederjacke – heute würde man sagen: im Retro-Stil. Die nämlich trug der Opa früher selbst, als er noch ein „junger Hüpfer“war und mit seine Gold-Wing die Lande unsicher machte.
Hans-Guido Langer schaut den Jungs nach, wie sie davon fahren, eingehüllt in graue Abgaswolken – und man spürt, wie gerne er selbst mitgefahren wäre ...