Kräuter voller Symbolkraft
Feiertag Zu Mariä Himmelfahrt gehören die Kräuterbuschen. Anja Waltenberger aus Rammingen bewahrt diese alte Tradition und erklärt, was hinter der Zusammensetzung steckt – und was keinesfalls sein darf
Rammingen Kräuterbuschen binden für das nicht nur älteste, sondern auch bekannteste Marienfest der römisch-katholischen Kirche: Mariä Himmelfahrt. Anja Waltenberger aus Rammingen, gelernte Gärtnerin und Landwirtin, will diese Tradition wach halten. Sie bringt anderen Frauen diese alte Technik nahe. Ganz wichtig seien nicht nur die Zutaten, erklärt sie, sondern vor allem: Ein Kräuterbuschen darf nie wie ein Blumenstrauß aussehen – sondern eben halt wie ein Buschen. Das ist schon ein Unterschied. Waltenberger lacht und beginnt, die leuchtend roten Früchte der Eberesche wie Perlen auf einen Draht aufzuziehen.
Diese Kette wird am Ende die Königskerze zieren, die immer als erste in den Buschen eingebunden wird. Um diese herum kommen Rosmarin, Ähren (nicht zu reif, die Körner müssen noch in der Schale sein), Lavendel, Schafgarbe, eine Sonnenblume, Holunder, Ringelblume, Weißdorn, Tagetes, aber auch Zweige der Linde, Fichte, eine rote Rose als Sinnbild für Maria und noch vieles andere mehr.
Das Fest am 15. August steht ganz im Zeichen der Marienverehrung. In der Offenbarung des Johannes heißt es: „Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel: Eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt.“1950 erklärte Papst Pius XII. die Lehre von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel zum Dogma. Eine Begründung dafür ist, dass es keine Reliquien von Maria gibt. Eine Legende erzählt, dass bei der Öffnung des Grabes statt eines Leichnams die Apostel darin „Lilien und fruchtbare Gewächse“fanden.
Der Erde soll an dieser Stellte ein wundersamer Kräuterduft entströmt sein. Seit dem 9. Jahrhundert sind Gottesdienste mit Kräuterwei- hen bekannt. Die germanischen Erntebräuche vorchristlicher Zeit waren ein deutliches Vorbild. Sie wurden 745 n. Chr. verboten und dann christianisiert. 1534 war es Sebastian Franck, der Kritik an der Kräuterweihe übte. In seinem „Weltbuch“rückte er diesen Brauch in die Nähe des Aberglaubens. Er schrieb: „An unser frawn himmelfart da tregt alle welt obs/ büschel allerley kreuter/in die Kirchen zu weihen/für alle sucht und plag uberlegt/bewert. Mit dieen kreutern geschicht seer vil zauberey.“
Im Sachsenspiegel des 13. Jahrhunderts steht über die Kräuterweihe: „Dat is to Krudemisse unser liben Frawn as sei to Himmel voer.“(Am Tag, als Maria zum Himmel fuhr, wird die Kräutermesse gehalten.) Aus der Überlieferung heißt es auch, dass Hexen und Zauberer versucht hätten, „böse Mittel mit weihen zu lassen“. Das schreibt Richard Beil in seinem „Wörterbuch der Volkskunde“. Zu den Pflanzen zählten unter anderem Alraun, Beifuß und die Doppelwurzel der Veitsblume. Der langen Tradition folgend, werden auch in diesem Jahr für die Kräuterweihe zum Fest Mariä Himmelfahrt „Kräuerbuschen“gebunden. Sie werden auch Würzbüschel, Weihbüschel, Marienwisch, Würzwisch oder Sangen genannt. Diese Buschen mit den vielen Namen enthalten je nach Region unterschiedliche Mengen an Kräutern. Sieben Pflanzen sind es für die Zahl der Wochen oder Schöpfungstage, neun für dreimal drei für die Heilige Dreifaltigkeit, 12 für die Zahl der Apostel, 14 für die Nothelfer, 24 für die zweimal zwölf: Stämme Israels und die Apostel. Aber auch 72 sind möglich: sechsmal zwölf für die Zahl der Jünger. Anja Waltenberger ist ja auch im Bilde.
Die einzelnen Kräuter haben zudem eine starke Symbolkraft. So steht die „Königskerze“immer in der Mitte. Sie ist das Herzstück des Kräuterbuschen und steht für Kraft, Stärke und Schutz (Blitzschlag). Eine Rose steht für Maria und Schutz, die Lilie für den Heiligen Josef, die Ähre das Korn, für das tägliche Brot, Alant für die Anzahl der Familienmitglieder, für Mut und Kraft und das Efeu bildet den Schluss. Noch viele andere Kräuter haben ihre Bedeutung wie für Gesundheit, Heilung, Glück und Liebe, für Wohlstand, Weisheit und Erfolg, für Frieden, guten, erholsamen Schlaf, gegen Unwetter und Regen zur rechten Zeit und auch für Fruchtbarkeit des Menschen und der Tiere.
Wichtig ist es für den eigenen Kräuterbuschen was jeder sammelt oder im eigenen Garten hat, sagt Anja Waltenberger. Sie hat ihre Leidenschaft zu heimischen Gehölzen für sich entdeckt, lernte in einer Forstbaumschule die aus Wildsaat gewachsenen Bäume kennen. So sind in ihrem Kräuterbuschen auch Zweiglein von Gehölzen zu finden.