Sprung ins Ungewisse
Freizeit Die Zahl der Trampolin-Unfälle steigt, viele Verletzungen sind schwer. Wie gehen Eltern in Bad Wörishofen mit dem Thema um? Und wie regelt eigentlich ein Unfallchirurg entsprechende Begehrlichkeiten zuhause?
Bad Wörishofen Aus der Luft betrachtet sieht es so aus, als hätte so gut wie jeder Garten in Neubaugebieten einen kleinen Hubschrauberlandeplatz: schwarz, rund, meist blaue Umrandung. Es sind die Spaßhochburgen unserer Zeit: Trampoline. Doch mit der Menge steigt offenbar auch die Zahl der Unfälle. Seit Jahren beobachte man eine Zunahme, sagt der Unfallchirurg Tilmann Eßlinger, Chefarzt der Chirurgie am Mindelheimer Kreiskrankenhaus. Das Robert-Koch-Institut nennt das Trampolinspringen gar als eine der häufigsten Unfallursachen mit Sport- oder Freizeitgeräten. Wer sich mit Eltern unterhält, erfährt recht schnell, was da so alles passieren kann.
Mirjam Sontheimer aus Bad Wörishofen erzählt beispielsweise von einem Unfall im Bekanntenkreis, wo während des Hüpfens die Sprungmatte gerissen sei. Ein Kind habe sich dabei die Beine gebrochen.
Eine andere Mutter aus Bad Wörishofen erzählt von der kleinen Luisa, die bei einem Trampolinunfall kürzlich ebenfalls einen Beinbruch erlitten hatte. Resultat: fünf Wochen Gips. Das Trampolin hat die Familie anschließend aus dem Garten verbannt.
Heinz Schuster wiederum hat erst gar keines angeschafft. „Zum einen wäre dann der Garten voll, zum anderen habe ich zu oft gehört, dass Kinder auf Trampolinen mit den Köpfen zusammengestoßen sind“, sagt der Vater aus Bad Wörishofen. Auch er kann ein Beispiel aus dem Bekanntenkreis erzählen, wo beim Springen das Außennetz gerissen ist. Ein Kind sei dabei rausgefallen.
Bei den Sontheimers steht das Trampolin derzeit vor dem Aus. „Bis jetzt haben wird Glück gehabt“, sagt Papa Wolfgang. Aber dieses Glück will man nicht überstrapazieren. Die Empfehlung von Experten, Eltern dürften immer nur ein Kind aufs Trampolin lassen, sei ja im Alltag gar nicht umzusetzen, sagt Wolfgang Sontheimer.
Die Kinder berichten, wie es bei den Familien der Freunde und Bekannten gehandhabt wird. Da gilt in einem Garten die Regel, dass nur drei Kinder gleichzeitig aufs Trampolin dürfen. Andernorts sind fünf Kinder erlaubt und so fort.
Doch wenn mehrere Kinder gleichzeitig auf die Springfläche gehen, wird es schnell gefährlich. Das sagt Chefarzt Eßlinger. Auch er hält es allerdings für so gut wie unmöglich, die Ein-Kind-Regel auf dem durchzusetzen. Deshalb steht im Eßlingerschen Garten auch kein Trampolin. „Der Antrag wurde gestellt aber abgelehnt“, sagt er schmunzelnd. Denn natürlich hätten auch seine Kinder gerne so ein Gerät gehabt. Doch Eßlinger kennt die Gefahren ganz genau.
Er nennt die Zahlen einer Studie, wonach sich die Unfallzahlen binnen sechs Jahren verzehnfacht haben. Auch die Deutsche Gesellschaft für Orthophädie und Unfallchirurgie hat dieser Tage eine Studie veröffentlicht. Das Ergebnis: Die Zahl der Trampolinunfälle bei Kindern hat sich seit etwa 15 Jahren mehr als verdreifacht. Etwa jede dritte Verletzung ist dabei schwer.
Gleichwohl sei man in Mindelheim, Bad Wörishofen oder Türkheim von Verhältnissen wie in größeren Städten, in Österreich oder in den USA noch weit entfernt, sagt Eßlinger. „In Großstädten haben die Kinder wenig Auslauf, viel konTrampolin zentriert sich da auf das große Trampolin im meist kleinen Garten“, nennt Eßlinger den Grund des Problems. In Österreich und vor allem in Amerika gebe es zudem vermehrt sogenannte TrampolinParks. Das lässt die Unfallzahlen schnell steigen.
Am Mindelheimer Krankenhaus zählte Eßlinger im vergangenen Jahr 20 Kinder, die nach Trampolin-Unfällen in der Notaufnahme landeten. Brüche an Armen oder Beinen seien das gewesen. Schwerere Fälle würden gleich in größere Kliniken transportiert, diese Zahlen hat Eßlinger entsprechend nicht. In einem Fall wurde ein junger Patient zuerst nach Mindelheim und erst dann zu den Halswirbelspezialisten ans Augsburger Klinikum verlegt. Da wird es dann schnell komplizierter als etwa bei der kleinen Luisa, die nach den Wochen im Gips wieder fröhlich springt – allerdings nicht mehr auf Trampolinen.