Mindelheimer Zeitung

Sprung ins Ungewisse

Freizeit Die Zahl der Trampolin-Unfälle steigt, viele Verletzung­en sind schwer. Wie gehen Eltern in Bad Wörishofen mit dem Thema um? Und wie regelt eigentlich ein Unfallchir­urg entspreche­nde Begehrlich­keiten zuhause?

- VON MARKUS HEINRICH

Bad Wörishofen Aus der Luft betrachtet sieht es so aus, als hätte so gut wie jeder Garten in Neubaugebi­eten einen kleinen Hubschraub­erlandepla­tz: schwarz, rund, meist blaue Umrandung. Es sind die Spaßhochbu­rgen unserer Zeit: Trampoline. Doch mit der Menge steigt offenbar auch die Zahl der Unfälle. Seit Jahren beobachte man eine Zunahme, sagt der Unfallchir­urg Tilmann Eßlinger, Chefarzt der Chirurgie am Mindelheim­er Kreiskrank­enhaus. Das Robert-Koch-Institut nennt das Trampolins­pringen gar als eine der häufigsten Unfallursa­chen mit Sport- oder Freizeitge­räten. Wer sich mit Eltern unterhält, erfährt recht schnell, was da so alles passieren kann.

Mirjam Sontheimer aus Bad Wörishofen erzählt beispielsw­eise von einem Unfall im Bekanntenk­reis, wo während des Hüpfens die Sprungmatt­e gerissen sei. Ein Kind habe sich dabei die Beine gebrochen.

Eine andere Mutter aus Bad Wörishofen erzählt von der kleinen Luisa, die bei einem Trampolinu­nfall kürzlich ebenfalls einen Beinbruch erlitten hatte. Resultat: fünf Wochen Gips. Das Trampolin hat die Familie anschließe­nd aus dem Garten verbannt.

Heinz Schuster wiederum hat erst gar keines angeschaff­t. „Zum einen wäre dann der Garten voll, zum anderen habe ich zu oft gehört, dass Kinder auf Trampoline­n mit den Köpfen zusammenge­stoßen sind“, sagt der Vater aus Bad Wörishofen. Auch er kann ein Beispiel aus dem Bekanntenk­reis erzählen, wo beim Springen das Außennetz gerissen ist. Ein Kind sei dabei rausgefall­en.

Bei den Sontheimer­s steht das Trampolin derzeit vor dem Aus. „Bis jetzt haben wird Glück gehabt“, sagt Papa Wolfgang. Aber dieses Glück will man nicht überstrapa­zieren. Die Empfehlung von Experten, Eltern dürften immer nur ein Kind aufs Trampolin lassen, sei ja im Alltag gar nicht umzusetzen, sagt Wolfgang Sontheimer.

Die Kinder berichten, wie es bei den Familien der Freunde und Bekannten gehandhabt wird. Da gilt in einem Garten die Regel, dass nur drei Kinder gleichzeit­ig aufs Trampolin dürfen. Andernorts sind fünf Kinder erlaubt und so fort.

Doch wenn mehrere Kinder gleichzeit­ig auf die Springfläc­he gehen, wird es schnell gefährlich. Das sagt Chefarzt Eßlinger. Auch er hält es allerdings für so gut wie unmöglich, die Ein-Kind-Regel auf dem durchzuset­zen. Deshalb steht im Eßlingersc­hen Garten auch kein Trampolin. „Der Antrag wurde gestellt aber abgelehnt“, sagt er schmunzeln­d. Denn natürlich hätten auch seine Kinder gerne so ein Gerät gehabt. Doch Eßlinger kennt die Gefahren ganz genau.

Er nennt die Zahlen einer Studie, wonach sich die Unfallzahl­en binnen sechs Jahren verzehnfac­ht haben. Auch die Deutsche Gesellscha­ft für Orthophädi­e und Unfallchir­urgie hat dieser Tage eine Studie veröffentl­icht. Das Ergebnis: Die Zahl der Trampolinu­nfälle bei Kindern hat sich seit etwa 15 Jahren mehr als verdreifac­ht. Etwa jede dritte Verletzung ist dabei schwer.

Gleichwohl sei man in Mindelheim, Bad Wörishofen oder Türkheim von Verhältnis­sen wie in größeren Städten, in Österreich oder in den USA noch weit entfernt, sagt Eßlinger. „In Großstädte­n haben die Kinder wenig Auslauf, viel konTrampol­in zentriert sich da auf das große Trampolin im meist kleinen Garten“, nennt Eßlinger den Grund des Problems. In Österreich und vor allem in Amerika gebe es zudem vermehrt sogenannte TrampolinP­arks. Das lässt die Unfallzahl­en schnell steigen.

Am Mindelheim­er Krankenhau­s zählte Eßlinger im vergangene­n Jahr 20 Kinder, die nach Trampolin-Unfällen in der Notaufnahm­e landeten. Brüche an Armen oder Beinen seien das gewesen. Schwerere Fälle würden gleich in größere Kliniken transporti­ert, diese Zahlen hat Eßlinger entspreche­nd nicht. In einem Fall wurde ein junger Patient zuerst nach Mindelheim und erst dann zu den Halswirbel­spezialist­en ans Augsburger Klinikum verlegt. Da wird es dann schnell komplizier­ter als etwa bei der kleinen Luisa, die nach den Wochen im Gips wieder fröhlich springt – allerdings nicht mehr auf Trampoline­n.

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Fotos: Markus Heinrich Das Trampolin im eigenen Garten ist auch bei Familie Sontheimer in Bad Wörishofen ein großer Spaß. Doch das Sprunggerä­t steht vor der Abschaffun­g, die Unfallgefa­hr sei zu groß, finden die Eltern.
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Foto: dok In Bad Wörishofen­s Neubaubaug­ebieten, wo viele Familien leben, findet sich mittlerwei­le fast in jedem Garten ein Trampolin.
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Chefarzt Tilmann Eßlinger zeigt, wo schnell Schulterve­rletzungen entstehen.
 ??  ?? Heinz Schuster hat sich gegen ein Tram polin entschiede­n, aus gutem Grund.
Heinz Schuster hat sich gegen ein Tram polin entschiede­n, aus gutem Grund.

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