Mindelheimer Zeitung

Mit den Pfunden wuchern

Auch Molly hat Probleme mit der schlanken Linie

- VON ISOLDE STEIN redaktion@mindelheim­er zeitung.de

Vor ein paar Tagen traf ich eine alte Bekannte, ein schlankes Wesen, mit viel Sinn für Ästhetik. Sie sah mich und meinen Hund prüfend an, dann bemerkte sie hämisch: „Dein Hund ist viel zu dick. Er hat überhaupt keine Taille mehr.“Ich war erleichter­t, dass sie diese Äußerung nur über meinen Hund gemacht hatte. Deshalb entgegnete ich mutig: „Man darf den Hund nicht nur von oben betrachten. Die Seitenansi­cht ist entscheide­nd, und da hat er eine prachtvoll­e Silhouette.“Meine Bekannte sah mich mitleidig an, dann entfernte sie sich abrupt.“Da siehst du“, sprach ich zum Hund, „was die Leute über dich denken.“Mein Hund sah mich verdrossen an, dann wandte er sich beleidigt ab.

Ich hatte das Problem sehr wohl erkannt, da es ja nicht nur Hunde betrifft. Pfunde wuchern dann, wenn zu viel Nahrung aufgenomme­n wird (Ich spreche aus Erfahrung). Leider vergeht nun kein Spaziergan­g, ohne dass mein Hund eine liegengela­ssene Eistüte aufspürt, ein weggeworfe­nes Stück Brot schnappt oder einen ausgespuck­ten Kaugummi vom Boden kratzt. Weder scharfe Worte noch gütiges Zureden halten ihn dann von seiner Gier ab. Neulich würgte er an einem Plastiktei­l mit obskurem Inhalt, an dem er beinahe erstickte. „Ich fahre nicht noch mal in die Tierklinik“, giftete ich erbarmungs­los. Zur Erinnerung: Der letzte Besuch in oben genannter Tierklinik förderte ein verschluck­tes Stück Holz zutage, was mich schlappe 300 Euro kostete.

Meine kleine Enkelin begleitet mich gerne auf meinen Spaziergän­gen. Als wir kürzlich an einer Baustelle vorbei kamen, rief sie plötzlich: „Oma, schau mal, der Hund hat von einem Bauarbeite­r die Brotzeit gestohlen!“„Sei still“, zischte ich, „das kann nicht sein!“„Doch,“trompetete das Kind, „ich hab’s genau gesehen!“Ich spürte plötzlich drohende Bauarbeite­rblicke in meinem Rücken und beschleuni­gte meine Schritte, um außer Rufweite zu gelangen. Keuchend erreichten wir sicheren Grund: den heimischen Garten. Der Hund trug eine dicke Wurstsemme­l im Maul und hatte ein glückliche­s Lächeln um die Lefzen.

Und die Moral von der Geschichte? Wer disziplini­ert ist, hat sein Leben und seine Taille im Griff. Die anderen, die Genusssüch­tigen (wie ich) lieben das Leben, haben es aber nicht immer im Griff.

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Foto: ug Wurschtsem­mel sind nicht gut für die Fi gur, aber sooo lecker.

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