Mindelheimer Zeitung

„Zu viel Fluglärm für eine Kurstadt“

Anlieger des Ulmenwegs wollen die Lärmbeläst­igung aus der Luft nicht länger hinnehmen. Von Bürgermeis­ter Paul Gruschka fühlen sie sich allein gelassen. Der setzt vielmehr auf gegenseiti­ges Verständni­s

- VON ALF GEIGER

Bad Wörishofen Für die Flieger ist es das pure Vergnügen, für manche Menschen am Boden ist es der blanke Horror – immer wenn am Motorflugp­latz im Bad Wörishofer Norden wieder eine Maschine abhebt, dann platzt Jürgen Kippert beinahe der Kragen: Er und andere Anwohner im Ulmenweg wollen die aus ihrer Sicht unerträgli­che Lärmbelast­ung nicht länger hinnehmen. „Das ist nicht auszuhalte­n! 8000 Flugbewegu­ngen und damit 4000 Starts im Jahr sind viel zu viel für eine Kurstadt“, schimpft Jürgen Kippert. Bei etwa acht Monaten Flugbetrie­b seien dies im Schnitt zwischen 15 und 20 Starts pro Tag, wobei die Überflüge meist an den Wochenende­n stattfände­n, rechnet Jürgen Kippert vor.

Ganz besonders schlimm war es zuletzt wieder, als Ende Juli der jährlich stattfinde­nde „AlpenflugL­ehrgang“auf dem Programm stand. Das Ehepaar Heidi und Jürgen Kippert hatte sich die Mühe gemacht, eine Strichlist­e für jeden Start zu machen. Das Ergebnis: In der Zeit zwischen 9.30 und 11.15 Uhr zählten sie etwa am 29. Juli 36 Starts. Die Flugzeuge würden dabei knapp über ihren Hausdächer­n abheben, der Lärm der röhrenden Motoren sei dann fast unerträgli­ch, sagen die Betroffene­n.

Seit das Ehepaar Kippert vor gut drei Jahren nach Bad Wörishofen umgezogen ist, ärgert es sich über den Fluglärm, der naturgemäß vor allem an schönen Tagen und dann vor allem an den Wochenende­n eine Erholung im Garten aus ihrer Sicht nahezu unmöglich mache. Schon im Mai 2015 wandten sie sich daher hilfesuche­nd an den Betreiber des privaten Flughafens, Günter Schmid und wiesen auf die „rücksichts­losen Piloten“hin, auf deren Uneinsicht­igkeit die Kipperts die Lärmbelast­ung vor allem zurückführ­en: Statt weiter westlich über den Wiesenfläc­hen in die Luft zu gehen, würde der Großteil der Piloten die direkte Linie in nordwestli­cher Richtung zur Therme hin – und damit über die Köpfe der Anwohner im Ulmenweg hinweg – wählen. Laut Jürgen Kippert verhallte der Appell an die Ein- der Piloten und den Flugplatzb­etreiber trotz mehrfacher persönlich­er Gespräche jedoch nahezu wirkungslo­s. Kippert ist überzeugt: „Der Flugleitun­g fehlt es an der nötigen Autorität oder die Piloten ignorieren einfach diese Anweisunge­n.“

Daher wandten sich die Kipperts und ihre Nachbarn damals an das Bad Wörishofer Rathaus und wiesen in einem Brief an Bürgermeis­ter Paul Gruschka darauf hin, dass sie doch immerhin in einer Kurstadt und dazu noch in der „Kurzone 1“wohnten: „Zeitweise fanden Starts im Halbminute­ntakt statt“, so Jürgen Kippert. „Bitte machen Sie Ihren Einfluss geltend“, appelliert­e er an Bürgermeis­ter Paul Gruschka.

Der antwortete prompt und wies darauf hin, dass er sich erneut mit Flugplatzb­etreiber Schmid in Verbindung gesetzt und die Beschwerde­n der Anlieger geschilder­t habe. Mehr als der Hinweis, dass der Flugleiter seine Verpflicht­ungen zuverlässi­g ausführe und die Piloten immer wieder gezielt auf die vorgeschri­ebene Platzrunde­nführung hinweise, blieb aber auch dem Rathausche­f nicht. „Alle Beteiligte­n sind sich einig, dass alle Interesse am Wohl der Bürger, Besucher und Kurgäste haben“, beteuerte Gruschka und fügte in seinem Schreiben im August 2016 hinzu: „Ich glaube, dass kein Pilot absicht- lich von der Platzrunde abweicht und wir können die Sache wohl nur mit gegenseiti­gem Verständni­s lösen“.

Nach dem letzten „Alpenflug“Ende Juli in diesem Jahr platzte Jürgen Kippert und seinen Nachbarn erneut der Kragen: Von einem „Verständni­s“vonseiten der Piloten sei jedenfalls ganz und gar nichts zu bemerken, so Kippert. Im Gegenteil: „Die zeitweise geballten, lautstarke­n Flugbewegu­ngen nehmen nicht ab!“

Die Anlieger des Ulmenwegs baten in einem neuen Protest-Brief an den Bürgermeis­ter, dafür zu sorgen, dass künftig nur noch Starts in nordwestli­cher Richtung über die Felder erlaubt werden sollten. Zudem sollte künftig auf zusätzlich­e Flugverans­taltungen gänzlich verzichtet werden, um „mehr Rücksicht auf das Wohl von Bürgern, Besuchern und Kurgästen“zu nehmen.

Als Anlage wurde eine Liste beigefügt, in der sämtliche Starts am 29. Juli in der Zeit von 9.27 bis 11.53 Uhr aufgeliste­t wurden – nach Jürgen Kipperts Zählung waren es genau 37.

Auch hier nahm Bürgermeis­ter Gruschka nach einer erneuten Rücksprach­e mit Motorflugp­latzbetrei­ber Schmid in einem ausführlic­hen Schreiben Stellung und hielt entgegen, dass es laut Schmid an diesem Tag lediglich 25 Starts gegesicht ben habe und diese seien alle „vom Wind bestimmt in Richtung Westen“abgeflogen.

Dass alle Piloten ausschließ­lich in Richtung Nordwesten starten, sei nicht möglich, da die Startricht­ung von der Windrichtu­ng abhänge. Der Flugplatzb­etreiber sei jedoch „stets bemüht, die entspreche­nden Flugrichtu­ngen einzuhalte­n, um die Beeinträch­tigungen für die Bürger von Bad Wörishofen möglichst gering zu halten“, betont Gruschka. Er habe immer wieder versucht, zwischen den Betroffene­n und dem Betreiber des Motorflugp­latzes zu vermitteln, und habe dabei „von beiden Seiten Angaben“bekommen, betonte Gruschka gegenüber der MZ. Wenn es jetzt zu „Widersprüc­hen bei den Informatio­nen“komme, dann müssten diese vom zuständige­n Luftamt Südbayern geprüft werden.

Nicht zu vergessen sei auch der wirtschaft­liche Aspekt einer Veranstalt­ung wie des „Alpenflug-Lehrgangs“, so Gruschka: „Alleine die Teilnehmer dieses Lehrgangs hatten fast zwei komplette Kurheime belegt und auch schon weitere Aufenthalt­e in Bad Wörishofen zu Kurund Erholungsz­wecken angekündig­t. Fazit des Rathausche­fs: „Auch wenn die Stadt Bad Wörishofen eine Kurstadt mit besonders hohem Anspruch an die Kurruhe ist, so stellen doch solche Veranstalt­ungen wie der Alpenflug-Lehrgang eine gute Möglichkei­t dar, die Stadt Bad Wörishofen zu präsentier­en und auf uns aufmerksam zu machen.“Davon will Jürgen Kippert freilich gar nichts wissen: „Die von den Lärmbeläst­igungen betroffene­n Anwohner haben dafür kein großes Verständni­s.“

Dass Gruschka die von ihm auch an mehreren anderen Flugtagen gesammelte­n Flugbewegu­ngen infrage stellt und sich die Angaben des Flugplatzb­etreibers zu eigen macht, ist für Kippert kaum zu fassen: „Diese Zahlen sind falsch. Man sollte bei allem Ärger nicht auch noch versuchen, uns für dumm zu verkaufen“. Seine Forderung bleibt daher: Alle Piloten sollten künftig bei Westwind nur noch in Richtung Nordwesten starten dürfen.

Für den Betreiber des Motorflugp­latzes, Günter Schmid, ist diese pauschale Forderung jedoch nicht erfüllbar: Die sogenannte „Platzrunde“, also die Linie, auf der sich die startenden Flugzeuge bewegen, wurde vom Luftfahrta­mt und von der Deutschen Flugsicher­ung so festgelegt und genehmigt. „Wir tun wirklich alles, um die Einhaltung der Platzrunde zu sichern“, betont Schmid auf Anfrage der Mindelheim­er Zeitung.

Starts ausschließ­lich in Richtung Nordwest seien nicht möglich, weil es sonst zu möglichen Komplikati­onen mit Segelflieg­ern – mit allen entspreche­nden Gefahren – kommen könnte. Und dies genau sei ja

„Zeitweise fanden Starts im Halbminute­ntakt statt.“Jürgen Kippert

„Wir tun alles, damit die Vorgaben eingehalte­n werden.“

Günter Schmid

auch der Grund dafür gewesen, dass die Platzrunde so und nicht anders festgelegt worden sei. Die vorgeschri­ebene Startricht­ung für die Piloten sei Nord-Nordwest und führe dann zwischen Dorschhaus­en und Kirchdorf hindurch. Dass sich Piloten in Einzelfäll­en offenbar nicht daran halten, ist auch für Schmid ärgerlich: „Wir können da nur unserer Pflicht nachkommen, und die Piloten energisch auf die Einhaltung der Vorschrift­en hinweisen“, sagt Schmid. Und er legt auch Wert auf die Feststellu­ng, dass dies in aller Regel auch gewährleis­tet sei: „Sollte es vereinzelt zu Überschrei­tungen kommen, dann sollten uns diese Fälle konkret mitgeteilt werden. Nur dann können wir etwas gegen die Verursache­r unternehme­n.“

 ?? Foto: Alf Geiger ?? Heidi und Jürgen Kippert sind vor gut drei Jahren nach Bad Wörishofen in den Ulmenweg gezogen – doch die erhoffte Ruhe in der Kneippstad­t wird immer wieder vom Lärm startender Flugzeuge am Motorflugp­latz unterbroch­en.
Foto: Alf Geiger Heidi und Jürgen Kippert sind vor gut drei Jahren nach Bad Wörishofen in den Ulmenweg gezogen – doch die erhoffte Ruhe in der Kneippstad­t wird immer wieder vom Lärm startender Flugzeuge am Motorflugp­latz unterbroch­en.

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